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Lars Steger: Gelesen, gehört, gesehen, sogar kurz gesprochen. Siegrid Damm am 17.11.2012

Meine Liebsten hocken im Gras unter einem Olivenbaum. Sie malen. Ich darf ihnen vorlesen. Stundenlang. Egoistisch wähle ich Bücher, die ich selbst nicht kenne, bei deren Autoren ich aber sicher bin, zu wissen, wie sie ihre Sätze zusammenfügen, mich hineinfühlen kann und nur selten verlese. Hans Fallada, Christa Wolf, Sigrid Damm. Bücher, deren Inhalt mich angeht. Wie sehr, ahne ich noch nicht, als ich für unser Seminar als vorzustellenden Lieblingstext Sigrid Damms „Wohin mit mir“ auswähle. Das fiktives Tagebuch der Autorin eines gerade erfolgreichen Goethe-Buches, die für ein halbes Jahr ins „Casa di Goethe“ in Rom eingeladen wurde. Geschrieben zehn Jahre später. Selbst nach der Lesung, im Reden über das Buch und das eigene Schreiben, blieb Sigrid Damm konsequent: Wenn es um den Text ging, sprach sie von der Erzählerin.

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Foto von Lars Steger:"Vergänglichkeit"


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Meine Liebsten hocken im Gras unter einem Olivenbaum. Sie malen. Ich darf ihnen vorlesen. Stundenlang. Egoistisch wähle ich Bücher, die ich selbst nicht kenne, bei deren Autoren ich aber sicher bin, zu wissen, wie sie ihre Sätze zusammenfügen, mich hineinfühlen kann und nur selten verlese.

Hans Fallada, Christa Wolf, Sigrid Damm. Bücher, deren Inhalt mich angeht.

Wie sehr, ahne ich noch nicht, als ich für unser Seminar als vorzustellenden Lieblingstext Sigrid Damms

Wohin mit mir“ auswähle. Das fiktives Tagebuch der Autorin eines gerade erfolgreichen Goethe-Buches, die für ein halbes Jahr ins „Casa di Goethein Rom eingeladen wurde. Geschrieben zehn Jahre später.  Selbst nach der Lesung, im Reden über das Buch und das eigene Schreiben, blieb Sigrid Damm konsequent: Wenn es um den Text ging, sprach sie von der Erzählerin.

Die Frau eine Erscheinung. Klein. Sehr langer weißer locker geflochtener Zopf. Das Mauerwerk hinter ihr in einem warmen Licht. Dazu das Leselicht. Ihr Haar reflektierte das alles, erhellte die Umgebung ihres Kopfes. Jetzt weiss ich, wie die Idee von Heiligenscheinen entsteht. Als sie zu lesen begann – eine überraschend zarte, etwas brüchige Stimme. Ich hatte wohl Christa Wolfs ruhigen tiefen Ton erwartet.

Überraschend ihre Leseauswahl. Alles, was ich für das letzte Seminar im  MGH bei Thema Lieblingstext ursprünglich gern aus dem Buch vorgestellt hätte, war dabei. Wie alltägliche Erlebnisse und Begegnungen sich mit Erinnerungen und Er-lesenem vermischen. Goethe, Che Guevara, Ingeborg Bachmann und Caravaggio. Auch Anna Chiarloni wird diesmal übrigens benannt.*

Die gefühlte Nähe, die mir beim Lesen schon klar geworden war, wird noch deutlicher beim Sprechen über das Schreiben: Laufen müssen als Voraussetzung, weite offene Landschaft, das Gewicht der alltäglichen Dinge, die Verstrickung der kleinen und großen Geschichte – am Ende beim Signieren, als wir über den Rhythmus beim Schreiben sprachen, wies sie mich noch auf Fühmann hin. Das Ungarn-Tagebuch. Natürlich, wie konnte ich das vergessen!

Ich musste dann erst mal flüchten vor der Unruhe der Kolleginnen und deren Enttäuschung, dass so wenig von Rom die Rede war. Dabei war auch das doch Thema: die Stadt, die sie suchte, Goethes Flucht-Ort, nicht gefunden zu haben, mit Anderem, dem zurückliegenden Erlebnis Lapplands, den Söhnen und Enkeln, beschäftigt zu sein. Sich ihr Rom zehn Jahre später erarbeiten zu müssen, zu wollen.

Am liebsten hätte ich einen langen Nachtspaziergang gemacht. Na ja, Autobahn im Nebel hatte auch was. Nur innehalten kann man dabei nicht. Worte wälzend. So hole ich das nach.

* A.C. schrieb das Vorwort zu „zwischen den zeiten“, der Anthologie des E.K.e.V. (Peter Segler Verl., 2003), und übersetzte ein Gedicht von mir; sie wurde in S. Damms „Diese Einsamkeit ohne Überfluss“ (Insel Verl., 1995), einem Schottland-Tagebuch, nur anonym als Germanistin aus Turin benannt.

Lars Steger – Foto:”Vergänglichkeit”

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Lars Steger: Wörter bezeichnen Weg und Ziel

also ist es schon ein Unterschied, ob ich meiner Freundin eine Bergbesteigung, Wanderung oder einen Spaziergang vorschlage. Und wir sollten uns einig sein, was wir unter dem jeweiligen verstehen. Sonst ist Ärger vorprogrammiert. Auch für mich allein: Denn wenn ich mir vorher klarmache, was es werden soll, wähle ich danach allein schon Verpflegung und Schuhwerk. Deshalb machen „Schubkästen“ manchmal Sinn. Schon mehrfach hatten wir uns solche Schubkästchen in Seminaren vorgenommen – Sonnet, Haiku & Tanka, Adaptionen - mit mehr oder weniger produktivem Erfolg … nun trug Hagen Ludwig von „Nottekunst“ eine neue Aufgabenstellung an uns heran: Im Februar werden sich im Atelier in Wünsdorf-Bücherstadt bildende Künstler zu einem einwöchigen Workshop zum Thema „Collagen“ treffen. Die Ergebnisse sollen dort ausgestellt werden – zur Vernissage oder Finissage wünscht er sich eine Lesung mit Collagen-Texten von uns und vielleicht auch Musik-Collagen. Die Grenzen zur Montage sieht er als fließend an. Am produktivsten für die Diskussion, was literarische Collage bzw. Montage ist, erschienen mir die Definitionen aus dem „Schülerduden Die Literatur“. Collage wird hier erklärt mit: „[[…] französisch „das Leimen, das Ankleben"]: aus der bildenden Kunst in den Bereich der modernen Literatur übertragene Bezeichnung 1. für die Technik der zitierenden Kombination von meist nicht zusammengehörigem vorgefertigtem sprachlichem Material; 2. für die derart entstandenen literarischen Produkte. Zunächst wurde die Bezeichnung Collage meist gleichbedeutend mit der bis dahin üblichen Bezeichnung f. Montage gebraucht. Ende der 60er Jahre setzte sie sich, v. a. für größere literarische Formen, immer mehr durch. Unter dem Einfluss kubistischer Bildcollagen entstanden die ersten literarischen Collagen im Futurismus, Dadaismus und Surrealismus. Die Collage ist oft Teilelement im modernen Roman, z. B. bei J. Joyce („Ulysses", 1922, deutsch „Ulysses", 1927) und A. Döblin („Berlin Alexanderplatz", 1929).“ [Schülerduden Die Literatur. Dudenverlag. Mannheim / Wien / Zürich 1989. 2. überarb. Aufl., S. 92; Hervorhebung d.A:] Noch interessanter finde ich die Erläuterung der Montage: “[[…] französisch, von monier „hinaufbringen, aufstellen" (eigentlich „aufwärtssteigen")]: in der Filmtechnik Bezeichnung für die Verbindung zweier oder mehrerer Einstellungen durch einen Schnitt oder eine Blende. Durch die Montage bekommt jede Einstellung erst ihre eigene Bedeutung im Gesamtzusammenhang der filmischen Aussage, wenn z. B. bei S. M. Eisenstein die Montage bewusst als Ausdrucksmittel eingesetzt wird: Durch die Kollision von Bildern aus unterschiedlichen Wirklichkeitsbereichen (Tötung aufständischer Arbeiter - Schlachtung eines Ochsen im Film „Streik", 1925) wird der Zuschauer schockartig zu der vom Regisseur beabsichtigten Deutung des Geschehens geführt. Dagegen wird besonders in Unterhaltungsfilmen der sogenannte „unsichtbare Schnitt", d. h. der möglichst unauffällige Übergang von einer Einstellung zur anderen, bevorzugt, damit der Fluss der Erzählung nicht durch reflexionsauslösende Bildkombinationen gestört wird. Der Begriff „Montage", aus der Filmtechnik übertragen auf die Literatur, bezeichnet die bewusste Zusammenfügung von sprachlich, stilistisch und auch inhaltlich unterschiedlichen Textteilen. Die Funktionen der Montage sind vielfältig: die Spannbreite reicht von der Erzielung vordergründiger Überraschungseffekte über die ästhetische Provokation (z. B. im Dadaismus) bis zum Versuch in Romanen, die verschiedenen Bereiche und Ebenen der Wirklichkeit unter sich durchsichtig und durchlässig zu machen. Die Montagetechnik findet sich in allen Gattungen der modernen Literatur, in der Lyrik (G. Benn, H. M. Enzensberger), in der Erzählprosa (A. Döblin, „Berlin Alexanderplatz", Roman, 1929), im Drama (P. Weiss, „Die Verfolgung und Ermordung Jean Paul Marats ...", 1964) und im Hörspiel. Bis Mitte der 60er Jahre wurden Montage und Collage etwa synonym verwendet, seither setzte sich zunehmend die Bezeichnung Collage durch.“ [ebenda S. 286f.] Mir scheint der heutige Gebrauch von Collage und Montage mit der aus der Filmgeschichte bekannten Spannbreite des letzteren Begriffs ganz gut abgesteckt. Die Betonung von Bildkollisionen und unterschiedlichem Wirklichkeitsmaterial (wie im Futurismus, Dadaismus und Surrealismus) würde ich heute in jeder anderen als der Filmform eher als Collage bezeichnen. In der Montage dagegen scheint mir die Einheit des Gesamten, der unauffällige Übergang der Einzelteile stärker. Nichtsdestotrotz bleiben fließende Übergänge, die aber schon interessant sind, wenn es um die Wirkungsstrategie des Werkes geht. Beide Begriffe lösen für mich auch z.gr.T. unseren Streit um die Adaption. Viele der unter dieser Aufschrift verpackten Texte können nämlich sehr wohl als Montage oder Collage gelten. Es werden fremde Text-Materialen für ein eigenes Ganzes genutzt – mit, gegen oder zumindest abweichend von Intentionen des Ausgangsmaterials. Eine Gattungsänderung ist hier nicht nötig. Die Beschneidung, Erweiterung, Neuordnung, Umdeutung des Materials dagegen geradezu Konzept. Exkurs I: Wenn dabei der Anspruch besteht einen Dialog mit dem Ursprungsmaterial einzugehen, dieser also in gewisser Weise Thema des Textes ist, scheint es mit nur umso wichtiger, dass dessen Material, soweit es im Text selbst sichtbar ist, als Vorlage erkennbar wird. Exkurs II: Lange habe ich allerdings mit dem Beispiel Georg Büchner gerungen: Der hat seine Vorlagen auch nicht kenntlich gemacht, scheinbar schamlos abgeschrieben - beim „Lenz“ und „Dantons Tod“, bis mir aufging: Das sind nun wirklich Adaptionen – aus (Wissenschaftlichem) Tagebuch bzw. Rede-Protokollen wird literarische Fiktion. Betrachtet man sich unter diesem Blick die letzten GeWa und die Angebote im Sommer-Seminar, finden sich bereits einige Beispiele für Collage bzw. Montage. Christians Texte bieten da sehr verschiedene Umgangsweisen mit den Original-Texten: Zur Essenz verknappend, Gegenentwürfe anbietend, den eigenen Text aus (mehr oder weniger vielen) Motiven entwickelnd. Lianes Vorworte fallen mir ein. Collage pur. Aber es muss auch nicht immer zitiert werden: Mein „Stillleben“ im GeWa 112 würde ich ebenfalls als Collage ansehen. Weil hier verschiedene Wirklichkeitsbereiche gegeneinander gesetzt werden. Das soll dem Leser sehr wohl bewusst werden. Fremdmaterial ist für beide Begriffe nicht Grundvoraussetzung. Eisensteins Bilder entstanden ja auch alle unter seiner Regie für den jeweiligen Film. In diesem Sinne sind viele unserer Texte Collagen, zumindest aber Montagen. Vielleicht kramt ihr mal unter diesem Gesichtspunkt in euren Mappen oder lasst euch anregen, einen solchen Text zu schreiben. Oder vielleicht entsteht einer direkt zu entsprechenden Bildern? Vielleicht schaffen wir sogar gemeinsam einen Werkstattbesuch? Ein Besuch in der Bunker-Bücher-Waldstadt, im Atelier „Nottekunst“ bei Hagen und Sylvi und in der umliegenden Ex- Militär-Brach-Landschaft lohnt sich allemal.

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also ist es schon ein Unterschied, ob ich meiner Freundin eine Bergbesteigung, Wanderung oder einen Spaziergang vorschlage. Und wir sollten uns einig sein, was wir unter dem jeweiligen verstehen. Sonst ist Ärger vorprogrammiert. Auch für mich allein: Denn wenn ich mir vorher klarmache, was es werden soll, wähle ich danach allein schon Verpflegung und Schuhwerk. Deshalb machen „Schubkästen“ manchmal Sinn.

Schon mehrfach hatten wir uns solche Schubkästchen in Seminaren vorgenommen – Sonnet, Haiku & Tanka, Adaptionen – mit mehr oder weniger produktivem Erfolg … nun trug Hagen Ludwig von „Nottekunst“ eine neue Aufgabenstellung an uns heran: Im Februar werden sich im Atelier in Wünsdorf-Bücherstadt bildende Künstler zu einem einwöchigen Workshop zum Thema „Collagen“  treffen. Die Ergebnisse sollen dort ausgestellt werden – zur Vernissage oder Finissage wünscht er sich  eine Lesung mit Collagen-Texten von uns und vielleicht auch Musik-Collagen. Die Grenzen zur Montage sieht er als fließend an.

Am produktivsten für die Diskussion, was literarische Collage bzw. Montage ist, erschienen mir die Definitionen aus dem „Schülerduden Die Literatur“. Collage wird hier erklärt mit: „[[…] französisch „das Leimen, das Ankleben“]: aus der bildenden Kunst in den Bereich der modernen Literatur übertragene Bezeichnung 1. für die Technik der zitierenden Kombination von meist nicht zusammengehörigem vorgefertigtem sprachlichem Material; 2. für die derart entstandenen literarischen Produkte. Zunächst wurde die Bezeichnung Collage meist gleichbedeutend mit der bis dahin üblichen Bezeichnung f. Montage gebraucht. Ende der 60er Jahre setzte sie sich, v. a. für größere literarische Formen, immer mehr durch. Unter dem Einfluss kubistischer Bildcollagen entstanden die ersten literarischen Collagen im Futurismus, Dadaismus und Surrealismus. Die Collage ist oft Teilelement im modernen Roman, z. B. bei J. Joyce („Ulysses“, 1922, deutsch „Ulysses“, 1927) und A. Döblin („Berlin Alexanderplatz“, 1929).“ [Schülerduden Die Literatur. Dudenverlag. Mannheim / Wien / Zürich 1989. 2. überarb. Aufl., S. 92; Hervorhebung d.A:]

Noch interessanter finde ich die Erläuterung der Montage: “[[…] französisch, von monier „hinaufbringen, aufstellen“ (eigentlich „aufwärtssteigen“)]: in der Filmtechnik Bezeichnung für die Verbindung zweier oder mehrerer Einstellungen durch einen Schnitt oder eine Blende. Durch die Montage bekommt jede Einstellung erst ihre eigene Bedeutung im Gesamtzusammenhang der filmischen Aussage, wenn z. B. bei S. M. Eisenstein die Montage bewusst als Ausdrucksmittel eingesetzt wird: Durch die Kollision von Bildern aus unterschiedlichen Wirklichkeitsbereichen (Tötung aufständischer Arbeiter – Schlachtung eines Ochsen im Film „Streik“, 1925) wird der Zuschauer schockartig zu der vom Regisseur beabsichtigten Deutung des Geschehens geführt. Dagegen wird besonders in Unterhaltungsfilmen der sogenannte „unsichtbare Schnitt„, d. h. der möglichst unauffällige Übergang von einer Einstellung zur anderen, bevorzugt, damit der Fluss der Erzählung nicht durch reflexionsauslösende Bildkombinationen gestört wird. Der Begriff „Montage“, aus der Filmtechnik übertragen auf die Literatur, bezeichnet die bewusste Zusammenfügung von sprachlich, stilistisch und auch inhaltlich unterschiedlichen Textteilen. Die Funktionen der Montage sind vielfältig: die Spannbreite reicht von der Erzielung vordergründiger Überraschungseffekte über die ästhetische Provokation (z. B. im Dadaismus) bis zum Versuch in Romanen, die verschiedenen Bereiche und Ebenen der Wirklichkeit unter sich durchsichtig und durchlässig zu machen. Die Montagetechnik findet sich in allen Gattungen der modernen Literatur, in der Lyrik (G. Benn, H. M. Enzensberger), in der Erzählprosa (A. Döblin, „Berlin Alexanderplatz“, Roman, 1929), im Drama (P. Weiss, „Die Verfolgung und Ermordung Jean Paul Marats …“, 1964) und im Hörspiel. Bis Mitte der 60er Jahre wurden Montage und Collage etwa synonym verwendet, seither setzte sich zunehmend die Bezeichnung Collage durch.“ [ebenda S. 286f.]

Mir scheint der heutige Gebrauch von Collage und Montage mit der aus der Filmgeschichte bekannten Spannbreite des letzteren Begriffs ganz gut abgesteckt. Die Betonung von  Bildkollisionen und unterschiedlichem Wirklichkeitsmaterial (wie im Futurismus, Dadaismus und Surrealismus) würde ich heute in jeder anderen als der Filmform eher als Collage bezeichnen. In der Montage dagegen scheint mir die Einheit des Gesamten, der unauffällige Übergang der Einzelteile stärker. Nichtsdestotrotz bleiben fließende Übergänge, die aber schon interessant sind, wenn es um die Wirkungsstrategie des Werkes geht.

Beide Begriffe lösen für mich auch z.gr.T. unseren Streit um die Adaption. Viele der unter dieser Aufschrift verpackten Texte können nämlich sehr wohl als Montage oder Collage gelten. Es werden fremde Text-Materialen für ein eigenes Ganzes genutzt – mit, gegen oder zumindest abweichend von Intentionen des Ausgangsmaterials. Eine Gattungsänderung ist hier nicht nötig. Die Beschneidung, Erweiterung, Neuordnung, Umdeutung des Materials dagegen geradezu Konzept.

Exkurs I: Wenn dabei der Anspruch besteht einen Dialog mit dem Ursprungsmaterial einzugehen, dieser also in gewisser Weise Thema des Textes ist, scheint es mit nur umso wichtiger, dass dessen Material, soweit es im Text selbst sichtbar ist, als Vorlage erkennbar wird.

Exkurs II: Lange habe ich allerdings mit dem Beispiel Georg Büchner gerungen: Der hat seine Vorlagen auch nicht kenntlich gemacht, scheinbar schamlos abgeschrieben – beim „Lenz“ und „Dantons Tod“, bis mir aufging: Das sind nun wirklich Adaptionen – aus (Wissenschaftlichem) Tagebuch bzw. Rede-Protokollen wird literarische Fiktion.

Betrachtet man sich unter diesem Blick die letzten GeWa und die Angebote im Sommer-Seminar, finden sich bereits einige Beispiele für Collage bzw. Montage. Christians Texte bieten da sehr verschiedene Umgangsweisen mit den Original-Texten: Zur Essenz verknappend, Gegenentwürfe anbietend, den eigenen Text aus (mehr oder weniger vielen) Motiven entwickelnd. Lianes Vorworte fallen mir ein. Collage pur. Aber es muss auch nicht immer zitiert werden: Mein „Stillleben“ im GeWa 112 würde ich ebenfalls als Collage ansehen. Weil hier verschiedene Wirklichkeitsbereiche gegeneinander gesetzt werden. Das soll dem Leser sehr wohl bewusst werden. Fremdmaterial ist für beide Begriffe nicht Grundvoraussetzung. Eisensteins Bilder entstanden ja auch alle unter seiner Regie für den jeweiligen Film.

In diesem Sinne sind viele unserer Texte Collagen, zumindest aber Montagen. Vielleicht kramt ihr mal unter diesem Gesichtspunkt in euren Mappen oder lasst euch anregen, einen solchen Text zu schreiben. Oder vielleicht entsteht einer direkt zu entsprechenden Bildern?

Vielleicht schaffen wir sogar gemeinsam einen Werkstattbesuch? Ein Besuch in der Bunker-Bücher-Waldstadt, im Atelier „Nottekunst“ bei Hagen und Sylvi und in der umliegenden Ex- Militär-Brach-Landschaft lohnt sich allemal.


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Chronik 2012 – Desdemona: Lieblingstexte beim Herbstseminar

Autorin: Desdemona Erstaunlich - alle hatten bei unserem Herbstseminar an die Hausaufgaben gedacht und einige Lieblingstexte mitgebracht. Eine kleine Sensation: fast alle hatten Rilke im Gepäck. Ich auch. Und zwar die 9. Elegie - natürlich nur ausschnittsweise. Folgende Zeilen liebe ich sehr: Aber weil Hiersein viel ist und weil uns scheinbar alles das Hiesige braucht, dieses Schwindende, das seltsam uns angeht. Uns, die Schwindendsten. Einmal jedes, nur einmal. Einmal und nicht mehr. Und wir auch einmal. Nie wieder. Aber dieses einmal gewesen zu sein, wenn auch nur einmal: irdisch gewesen zu sein, scheint nicht widerrufbar. Warum gerade dieser Vers mich so nachhaltig anspricht? Ein seltsames Gefühl erfüllt mich jedes mal beim Lesen: schon allein das nackte Hiersein erweist sich als etwas Kostbares, unbedingt zu Bewahrendes. Einmal nur sind wir hier. Das wird sich nicht wiederholen. Nicht in der Zeit. Und nicht in unserer Ausprägung. Einmalig ist jeder - einzig als unverwechselbarer Einmaliger. Hiersein und Einmaligkeit jedoch teilen wir mit anderen Schwindenden.

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Erstaunlich – alle hatten bei unserem Herbstseminar an die Hausaufgaben
gedacht und einige Lieblingstexte mitgebracht. Eine kleine Sensation:
fast alle hatten Rilke im Gepäck. Ich auch. Und zwar die 9. Elegie
natürlich nur ausschnittsweise. Folgende Zeilen liebe ich sehr:
Aber weil Hiersein viel ist und weil uns scheinbar alles das Hiesige
braucht, dieses Schwindende, das seltsam uns angeht. Uns, die
Schwindendsten. Einmal
jedes, nur einmal. Einmal und nicht mehr. Und wir auch
einmal. Nie wieder. Aber dieses
einmal gewesen zu sein, wenn auch nur einmal:
irdisch gewesen zu sein, scheint nicht widerrufbar.

Warum gerade dieser Vers mich so nachhaltig anspricht?
Ein seltsames Gefühl erfüllt mich jedes mal beim Lesen:
schon allein das nackte Hiersein erweist sich als etwas
Kostbares, unbedingt zu Bewahrendes.
Einmal nur sind wir hier. Das wird sich nicht wiederholen.
Nicht in der Zeit .
Und nicht in unserer Ausprägung.
Einmalig ist jeder – einzig als unverwechselbarer Einmaliger.

Hiersein und Einmaligkeit jedoch teilen wir mit anderen Schwindenden.
Warum aber sind wir unter ihnen die Schwindendsten?

Irgendwann werden wir mit unserer Einzigartigkeit schwinden.
Wie alle Schwindenden.
Nur wir jedoch wissen lange davor von diesem Schwinden, das
seltsam uns angeht.
So als die Wissenden sind wir die Schwindendsten unter den Schwindenden.
Das scheint nicht widerrufbar.

 

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Christian Rempel: Der grüne Zettel

Ich sah da jüngst ein Mädchen stehn das Mädchen war so wunderschön doch ernsten Männern und schönen Frau`n soll man im Leben ja nicht trau`n

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Ich sah da jüngst ein Mädchen stehn
das Mädchen war so wunderschön
doch ernsten Männern und schönen Frau`n
soll man im Leben ja nicht trau`n

Sie fragte mich: „Oh ham Sie nicht
für mich ein kleines Angedicht?
Und sei es auch nur noch so klein
es würd` für mich `ne Freude sein“

„Oh Fräulein ham Sie ein Gebrechen
Sie können ja in Versen sprechen
was ich mir abring` so in Tagen
das könn` Sie gleich in Worten sagen“

Da schweigt sie fein und läßt mich denken
wollt ich ihr eben Verse schenken
was ich ihr sagte, wie mir scheint
das hat sich ja wohl auch gereimt

Was mir geschieht fast überall
ist immer auch ein Krankheitsfall
ob wohl ihr Leben schon bedroht
ob sie noch schaut das Abendrot

Verdammt, ich schweig noch immer
seh sie im weißen Zimmer
sie wird mir doch nicht siechen
wie kann sie so gut riechen

Und endlich kram ich Eiderdaus
für sie `nen grünen Zettel raus
Nun denkst Du darauf schreibe ich
für sie ganz rasch ein Angedicht

Doch in den Taschen hab ich Zettel
ganz eingestellt auf das Gebettel
da stehn schon die Gedichte drauf
womit ich um mein Leben lauf

Doch natürlich bleib ich steh`n
ich will die Reaktion ja seh`n
sie liest es leis dann liest`s sie`s laut
sie prüft genau ob`s nicht geklaut

Dann sagt sie mir sie schreibt nicht mehr
und dass sie las ist lange her
sie hat ja endlich ihr Gebrechen
sie kann ja nun in Versen sprechen

„Oh sagst Du etwas im Gedicht
dann weißt Du ja das Ende nicht
das ist so spannend, weißt Du`s jetzt
was Du nur so durchs Leben hetzt“

Ich stehe doch, wie kann sie sagen
ich täte durch das Leben jagen
sie schaut mir nicht mal ins Gesicht
hat sie`s gelernt aus dem Gedicht?

Dann gibt sie mir, ich habe Glück
sie gibt mir ein Gedicht zurück

Dann kam der Abschied ohne Klagen
ich würd` ihr gern ein Wort noch sagen
doch was mir fiel zu sagen ein
schon wieder war es nur ein Reim
Da las ich ihr, ich armer Tor
ich las den Zettel nochmal vor:

„Zu Worms in einem hohen Saal
fand man sich ein zur Damenwahl
den Saal ziert eine bunte Decke
und an der Decke hängt eine Schnecke

Sie ist gemacht von purem Gold
das ham die Damen so gewollt
und plötzlich kommt ihn` in den Sinn:
Wo sind denn nur die Männer hin?

Wir wollten sie doch gerade wählen
und hernach genau noch zählen
Die Männer wie sie immer sind
sie zogen in den _ _ _ _ _  geschwind“

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17.10.02

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Susann Schönherr: Ritual

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Hoch oben in den Lüften, weit über den Wäldern von Lisanis Dei, zog er seine Kreise, auf der Suche nach einer Lichtung, die seinem Herren genehm sein würde.

Er hörte die Worte noch hallen: „weit droben auf dem Berge, in den Wäldern von Lisanis Dei, musst du die Lichtung finden, welche den klarsten Blick in den Nachthimmel gewährt!“

Unterdessen traf Li Nao San letzte Vorbereitungen. Der Proviant war gepackt, die Kutte geglättet. Das Feuerholz wollte er auf dem Weg zum Treffen sammeln.

In drei Nächten  würde es endlich wieder so weit sein. Viele Jahre waren vergangen, dreiunddreißig an der Zahl, seit sie sich das letzte Mal sahen.

Was hatte sich seit dem nicht alles ereignet… Li Nao versank in seinen Erinnerungen.

Was die anderen ihm wohl berichten würden? Aber so weit war es noch nicht.

Bis zur Zusammenkunft musste noch einiges erledigt werden.

Hoffentlich würde sein Rabe ihm bis zum Morgengrauen die Kunde über den vollkommenen Ort für das heimliche Treffen bringen… Nun aber begab Li Nao sich in den Wald.

Dreizehn Samen der immergrünen Abies, sieben Marientränen und eine Wurzel der Mandragora musste er sammeln.

Es verging die dunkle, kalte Nacht. Bei seiner Wiederkehr verlieh das sanfte Morgengrauen der Gegend um Lisanis Dei einen roten Schleier. Da vernahm Li Nao das raue Krähen seines Raben.  „Li Nao San, Li Nao San, mein Herr, ich komme mit der Kunde über die rechte Lichtung hoch droben auf dem Berge in den Wäldern von Lisanis Dei“.

„Vortrefflich, mein guter Begleiter! Mit dem nächsten Mondenschein werden wir uns auf den Weg machen.“ sprach Li Nao, bevor er sich zur Ruhe legte.

Bald darauf fiel er in einen tiefen Schlaf und begann unruhig zu träumen…

Ringsum graue Nebelschwaden, nichts zu erkennen… Doch, dort hinten – ein blauer Schimmer. Wo bin ich nur? Und was ist das für ein Licht?  Ich vernehme ein Stimmengewirr in der Ferne. Plötzlich fängt sich alles an, um mich herum zu drehen, grauer Nebel, blaues Licht, die Stimmen kommen immer näher… Aaaaaaah!

…schweißgebadet erwachte Li Nao San aus seinem Traum. Die Nacht brach langsam herein.

„Nun flieg hoch und halt Ausschau nach den Raben von Nyima Shin und Zoaki Masa, um ihnen den Weg zur Lichtung zu weisen.“ sprach er zu seinem Begleiter und machte sich auf den Weg.

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sibyll maschler: Der Unterschied

Nicht nachgeben viel mehr einander die Hände entgegen strecken für den gemeinsamen Weg Hand in Hand

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Nicht nachgeben
viel mehr
einander die Hände
entgegen strecken
für den gemeinsamen Weg
Hand in Hand

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März 2012

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sibyll maschler: Mädchenbilder

Mädchen strömen wie Düfte Fliederdoldengleich Mädchen wehen wie zarte Brisen und tragen ans Ufer Mädchen salzen die Haut wie das Meer sind Stürme und ruhige See

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Mädchen strömen
wie Düfte
Fliederdoldengleich
Mädchen wehen
wie zarte Brisen
und tragen ans Ufer
Mädchen salzen die Haut
wie das Meer
sind Stürme und ruhige See
Mädchen steigen auf
wie Nebel zu den Wipfeln
oder sinken zu Boden
Mädchen breiten sich aus
in allen Farben
über den Hügeln
Mädchen nehmen auf und ein
manch schwerer Stunde
mit ins Tal
Mädchen fließen
zum Grunde
und sind Brücke darüber

Februar 2012

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Susann Schönherr: Ohne Gefühl behütet gewachsen

Ohne Gefühl behütet gewachsen Oh lockende Versuchung Meine Seele berührt Bedenken hinfort! Gehorsam unterwerf ich mich

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Ohne Gefühl behütet gewachsen
Oh lockende Versuchung
Meine Seele berührt
Bedenken hinfort!
Gehorsam unterwerf ich mich

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Fremde Gefühle keimen heran
Oh schmerzhafte Erfahrung
Meine Seele verletzt
Respekt hinweg?
Es trifft mit voller Wucht

 

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