Categotry Archives: Betrachtungen und Rezensionen von Christian Rempel

Zur Luther-Zeichnung von A.S.

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Das Spielbein halb vom Postament
Der Robe Schatten hält’s nur auf
Gibt der Stirne Falten im Rücken wieder
Jene unsichtbar den Gepredigten
Denen zugewandt die Hände noch geschlossen
Halb sinnend noch
Das Haupthaar – sind vier Striche nur
Von der Kapuzenkrempe rund umfangen
Ist hinunter zu jenen er dann gegangen
Schwer beschäftigt mit ihren Belangen

Christian Rempel, Gedankenwasser 153

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Christian Rempel: Betrachtungen unter der Überschrift „Aussterben“ zum Buch von Martin Walser „Ein sterbender Mann“

Christian Rempel hat Betrachtungen unter der Überschrift "Aussterben" zum Buch von Martin Walser „Ein sterbender Mann“ angestellt. Hier der Link ▶ Christian Rempel: Aussterben ▶ Hinweis: Dies ist eine Vorschau, um diesen Artikel zu öffnen, bitte in die türkisfarbene Überschrift oder auf das Wort “Weiterlesen” klicken. ▶ Note: This is a preview. Please click in the turquoise-colored heading of the article,

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Christian Rempel hat Betrachtungen unter der Überschrift „Aussterben“ zum Buch von Martin Walser  „Ein sterbender Mann“ angestellt. Hier der Link ▶ Christian Rempel: Aussterben

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Christian Rempel: Sommerseminar

Sommerseminar Vom ersten Moment an eine behutsame, ja freundschaftliche Atmosphäre bei unserem Treffen in Bestensee. Nach der Hektik der letzten Ereignisse, die fast noch in einer Notverlegung der Veranstaltung geendet hätten, war auch schon so etwas da, wie leichte Erschöpfung. Dorit Brückner, die neu in unserem Kreis ist, auch wenn sie schon lange malerisch und dichterisch tätig ist und ein Berufsleben als Psychologin hinter sich hat, gestaltete den Freitagabend. Alle hatten sich fast pünktlich eingefunden, auch wenn das MGH in Bestensee auf keinem Navi zu finden ist. Man konnte sich durchfragen. Dorit war sehr gespannt auf unsere Meinung zu den, den Bildern gewidmeten Gedichten. Manchmal ließen sich Beziehungen herstellen, manchmal waren die Bilder stärker, manchmal auch die Schriftform. ...

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Sommerseminar

Vom ersten Moment an eine behutsame, ja freundschaftliche Atmosphäre bei unserem Treffen in Bestensee. Nach der Hektik der letzten Ereignisse, die fast noch in einer Notverlegung der Veranstaltung geendet hätten, war auch schon so etwas da, wie leichte Erschöpfung.

Dorit Brückner, die neu in unserem Kreis ist, auch wenn sie schon lange malerisch und dichterisch tätig ist und ein Berufsleben als Psychologin hinter sich hat, gestaltete den Freitagabend. Alle hatten sich fast pünktlich eingefunden, auch wenn das MGH in Bestensee auf keinem Navi zu finden ist. Man konnte sich durchfragen. Dorit war sehr gespannt auf unsere Meinung zu den, den Bildern gewidmeten Gedichten. Manchmal ließen sich Beziehungen herstellen, manchmal waren die Bilder stärker, manchmal auch die Schriftform. Als sich die Zuhörerschaft dann nach einer Stunde gelegentlich auflöste, wie das bei uns nicht selten üblich ist, wusste sie das Publikum etwas zur Ordnung zu rufen und zur Höflichkeit zu mahnen. Auch praktizierte sie das direkte Ansprechen von Personen aus unserem Kreis, um genau dessen Meinung zu erfahren. Das waren schon ein bisschen Neuheiten von einem Neuling in unserem Kreis, aber wir sahen auch, dass manchmal die Würde des Alters noch eine Facette hinzufügen kann, wo es wirklich nicht immer ganz rücksichtsvoll zugeht.

Nebenbei war das Ausschneiden der Aufkleber für das neue GeWa angesagt, in das dann auch noch die Klammern gehämmert werden konnten und es somit zur allgemeinen Erbauung bereitstand. Liane und ich hatten sich erst einen Tag vorher entschlossen, das neue Heftchen doch noch zum Seminar herauszubringen und es war uns nicht leicht gefallen, es voll zu bekommen und dazu noch unter ein Motto zu stellen, nämlich den „schriftlichen Meinungsaustausch“. Diesen zu entwickeln, ist ein von manchen unDichtern anerkanntes Ziel, auch wenn über dessen Nützlichkeit kontroverse Auffassungen herrschen. Ich für meinen Teil, der ich diesen schriftlichen Austausch bevorzuge, musste feststellen, dass trotz der luziden Form, um die ich mich bemühe, dadurch auch ein bisschen eine „theoretische Beziehung“ zu Personen und dem Verein entstehen kann, die man erst wieder durch den freundschaftlichen Umgang miteinander beheben kann.

Am Sonnabend ging es dann, trotz der Probleme, die immer noch schwelten, erst einmal in die Textarbeit, und das sogar bei relativ pünktlichem Beginn. Nun scheint die Diskussionszeit in einem umgekehrten Verhältnis zur Länge der Gedichte zu stehen, so dass man sich dann fast zwei Stunden an einigen 10-Zeilern aufhielt. Die Hypothese des lyrischen Ichs, sorgfältig geschieden vom Autor, macht es ja auch nicht immer leicht, Gedichte zu entschlüsseln. Nach zwei Texten von Jenny ging es dann mit einiger Verzögerung in die Mitgliederversammlung, nachdem als Zünglein an der Waage der Beschlussfähigkeit auch noch Olaf auf einen Sprung vorbeikam. Sie wurde dann auch zügig absolviert, wobei auch die Probleme von Austrittsgedanken einiger zur Sprache kamen. Da wurden dann freilich auch Rationalitätsgedanken in die Runde geworfen und dass wohl jeder, der Probleme sieht oder hat, auch für sich selbst sprechen können sollte. Der Vorstand wurde einstimmig in seiner Arbeit bestätigt und wird nun für mindestens ein Jahr in der gleichen Besetzung weiteragieren.

Bis dahin waren wir also noch gar nicht zum Thema „Flucht“ gekommen, aber die Atmosphäre war sehr wohltuend. Ich hatte einen kleinen, wieder etwas theoretischen Beitrag zu „Vertreibung“ vorbereitet, der dann aber wegen der oben beschriebenen, manchmal zu verzeichnenden Auflösungserscheinungen dann doch noch unterbrochen werden musste und das Feedback ließ auch nicht erkennen, wie nützlich er wohl gewesen sein mag. Dann hatte Frank P. noch ein paar seiner geistreichen, originellen und manchmal etwas rätselhaften Gedichte auf Lager und wir waren auch schon etwas mehr drin in der Fluchtproblematik. Zur Vervollständigung muss gesagt werden, dass Gerhard Malzeug bereitgestellt hatte und nebenher ein paar bildliche Darstellungen entstanden. Er selbst hat sogar die Boots-People ins Bild gebracht. Einige verabschiedeten sich zur Nachtruhe oder nach Hause und ein kleiner Kreis saß noch bis in die Morgenstunden, dass Lars die LKWs der benachbarten Großbäckerei Wahl ausrücken hörte. Dort hatte man die Nacht offenbar noch nützlicher verbracht, nur eben vergessen, uns ein paar Brötchen vorbeizubringen.

Am Sonntag dann ab zehn immer noch Textarbeit, das Thema Flucht war eigentlich nur in Lianes Beitrag über ihre vielfältigen Begegnungen mit Asylbewerbern präsent. Annett und Frank hatten es auf sich genommen, das Catering zu managen, was ohne Kochplatte oder gar Küche und dem nächsten Wasserhahn zwei Treppen tiefer, nicht ganz einfach war. Da sich unser Konferenzraum in der dritten Etage befand, war dann auch entsprechend viel herunterzuschleppen. Glücklich gingen wir nach dem als viel zu kurz empfundenen Treffen dann wieder auseinander.

Die Bedingungen waren nicht optimal, aber überwiegend bestand die Meinung, dass diese Art Seminar mit Übernachtung vor Ort doch die bessere Form ist, als wenn noch große Fahrwege bevorstehen an jedem Tag. Deshalb wollen wir auch die kommenden Seminare in dieser Form durchzuführen versuchen.

Ich hoffe, dass meine Zeilen auch für die, aus den verschiedensten Gründen ferngebliebene andere Hälfte des Vereins, einerseits einen Eindruck vermitteln und andererseits hoffentlich noch mehr Zuspruch für die kommenden Seminare hervorruft. In den Wald von Bestensee setzten wir allerdings keinen Fuß, so viel Luft sollten wir uns in Zukunft gönnen, dass es auch nicht zu anstrengend wird.

Christian Rempel 7. September 2015
Schriftführer

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Christian Rempel: Noch mal Rilke

Noch mal Rilke Nachdem wir so diverse Linksammlungen auf dem Blog haben, manchmal völlig unmotiviert, bat mich die Onlineredaktion, auch mal eine Linksammlung zu Rilke zu erstellen. Aber leider widerstrebt mir diese Form der „Hilfestellung“, denn wenn sich jemand für ein Thema interessiert, wird er es auch gut selber fertigbringen zu googeln. Es sind auch gerade die Audiobeiträge, die ich nicht mag, wo oft ausufernd von irgendwelchen Lackaffen etwas vorgetragen wird, das man lieber selber lesen würde, ohne dabei auch noch einen A(E)ffekt rübergebracht zu bekommen. Ich weiß auch, dass ich in dieser Abneigung nicht allein stehe. Vielmehr möchte ich hier mein Lieblingsgedicht von Rilke zum lesen vorstellen. Ich hatte es gar nicht selbst entdeckt, sondern es wurde mir einmal von einer der vielen Rilkeverehrerinnen zugesandt.

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Noch mal Rilke

Nachdem wir so diverse Linksammlungen auf dem Blog haben, manchmal völlig unmotiviert, bat mich die Onlineredaktion, auch mal eine Linksammlung zu Rilke zu erstellen. Aber leider widerstrebt mir diese Form der „Hilfestellung“, denn wenn sich jemand für ein Thema interessiert, wird er es auch gut selber fertigbringen zu googeln. Es sind auch gerade die Audiobeiträge, die ich nicht mag, wo oft ausufernd von irgendwelchen Lackaffen etwas vorgetragen wird, das man lieber selber lesen würde, ohne dabei auch noch einen A(E)ffekt rübergebracht zu bekommen. Ich weiß auch, dass ich in dieser Abneigung nicht allein stehe.

Vielmehr möchte ich hier mein Lieblingsgedicht von Rilke zum lesen vorstellen. Ich hatte es gar nicht selbst entdeckt, sondern es wurde mir einmal von einer der vielen Rilkeverehrerinnen zugesandt.

Rilke hatte ja die Bekanntschaft mit Lou Andreas-Salomé gemacht, die ihn, obwohl sie 14 Jahre älter war, faszinierte. Das folgende Gedicht ist aus dieser Phase und hat sicher mit dieser Frau zu tun, der schon Nietzsche einen Heiratsantrag gemacht hatte und der, vielleicht auch wegen der abschlägigen Antwort, später in geistige Umnachtung verfallen ist. Fast der gesamte Briefwechsel zwischen Rilke und Lou wurde vernichtet im beiderseitigen Einverständnis. Wer weiß, was dieser als Autodafé bezeichneten Aktion alles zum Opfer gefallen ist, aber das folgende Gedicht hat es überlebt:

LÖSCH MIR DIE AUGEN AUS…..

Lösch mir die Augen aus: ich kann Dich seh`n,
wirf mir die Ohren zu: ich kann Dich hören,
und ohne Füße kann ich zu Dir geh`n,
und ohne Mund noch kann ich Dich beschwören.
Brich mir die Arme ab, ich fasse Dich
mit meinem Herzen wie mit einer Hand,
halt mir das Herz zu, und mein Hirn wird schlagen,
und wirfst Du in mein Hirn den Brand,
so werd ich Dich auf meinem Blute tragen.

 Rainer Maria Rilke 1899

Im letzten GeWa hatte ich noch mal auf die Rolle des Gedankenaustauschs verwiesen, der dort in der Anfangszeit noch stärker ausgeprägt war. Um wieviel mehr gilt das für einen lebendigen Blog, auch wenn sich einige daran stören, dass das eine Öffentlichkeit ist, die unüberschaubar ist und ein viel weitreichenderes Medium als unser gutes altes GeWa. Trotzdem gab es schon Zeiten, wo auch unser Blog lebendiger war, wo die Klingen gewetzt und gekreuzt wurden. Wenn wir nun also in die guten alten Zeiten eintauchen, so wünschte man sich vor allem den Austausch zurück.

Christian Rempel 7.8.2015

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Christian Rempel: Rilke (1875-1926)

Rilke (1875-1926) Es muss ein großes Erholungsbedürfnis gegeben haben in einer Zeit, wo die persönliche Begegnung mit Menschen und das direkte Kunsterlebnis, ohne sich durch moderne Medien noch betäuben zu können, einen Ausgleich darreichten zu Imperialismus, ins ekstatisch gesteigerten Nationalismus und für die meisten einfach unausweichliche Armut. Wie müssen selbst die Reichen noch den Mangel an geistiger Nahrung, an Sinngebung empfunden haben, dass sie sich gern in die Gesellschaft des Dichters begaben, der eigentlich nicht gesellig war, aber über distinguierte Umgangsformen verfügte, so dass man ihn bei allem Geldmangel, der ihn fast immer quälte, für einen der ihren halten konnte.

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Rilke (1875-1926)

Es muss ein großes Erholungsbedürfnis gegeben haben in einer Zeit, wo die persönliche Begegnung mit Menschen und das direkte Kunsterlebnis, ohne sich durch moderne Medien noch betäuben zu können, einen Ausgleich darreichten zu Imperialismus, ins ekstatisch gesteigerten Nationalismus und für die meisten einfach unausweichliche Armut. Wie müssen selbst die Reichen noch den Mangel an geistiger Nahrung, an Sinngebung empfunden haben, dass sie sich gern in die Gesellschaft des Dichters begaben, der eigentlich nicht gesellig war, aber über distinguierte Umgangsformen verfügte, so dass man ihn bei allem Geldmangel, der ihn fast immer quälte, für einen der ihren halten konnte.

In diesen bewegten Zeiten einen so unpolitischen Menschen zu treffen, musste entweder Kopfschütteln hervorrufen oder eines Menschen Labung sein. Scheinbar ein Leben lang hat er sich mit den Kataströphchen seiner Kindheit auseinandergesetzt, die erst in seiner Mutter bestanden und dann im Besuch einer Militärschule. Sollte man daraus lernen, dass man sich möglichst schone (er versuchte seine Einberufung mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln zu verhindern) und sein Lebtag eine Nabelschau betreibe?

Zu den damaligen Modernitäten gehörten offenbar auch schnell geschlossene Ehen, wieder aufgelöste oder durch einen höheren Zweck, wie der Kunst oder das Geldverdienen, aus diesen abgezogen zu sein. Schon seine Mutter, der eine gewisse Unsystematik in der Erziehung vorzuwerfen war, trennte sich bald vom Vater Rilkes und lebte ihr eigenes Leben an Orten, die ihr mehr behagten als Prag. Sie hat denn auch ihren Sohn überlebt, anders als sein Vater, der wohl etwas schlicht in seiner Beamtenmentalität war, aber seinen Sohn lange Zeit materiell unterstützte, als dieser, nach bürgerlichen Maßstäben schon längst etwas hätte geworden sein müssen. Trotzdem ist es die Mutter, die über ihm schwebt. So schreibt noch der vierzigjährige Rilke sehr schön:

Ach wehe, meine Mutter reißt mich ein.

Da hab ich Stein auf Stein zu mir gelegt,

und stand schon wie ein kleines Haus,

um das sich groß der Tag bewegt, sogar allein.

Nun kommt die Mutter, kommt und reißt mich ein.

Wie es in dem Dichter ausgesehen haben mag, erfahren wir aus der Biographie von Wolfgang Leppmann nicht, der sich auch ein bisschen über Rilke stellt und ihm postum den einen oder anderen Ratschlag erteilt, wie er sich hätte verhalten oder wie er hätte schreiben sollen. Das Freundes- und Bekanntenverzeichnis kommt jedenfalls einem Lexikon gleich und es ist erstaunlich, wie die vielen Liebschaften und Bewunderer Rilkes alle zu verzeichnen waren, wenn man nicht sein Zeitgenosse hat sein können.

Es könnte einem auch eigentlich egal, sein, wie es in ihm ausgesehen haben mag, würde man nicht selber gern von seinen innersten Befindlichkeiten, wie blass diese auch sein mögen, gern eine Wünschelrute  zur Hand nehmen, um wenigstens einen Zipfel der Unsterblichkeit zu fassen zu bekommen, die er erlangt hat. Auch möchte man gern so viel zu sagen haben, wie er, wenn er zum Beispiel über einen Hirten schreibt:

Abwechselnd weilt er und zieht, wie selber der Tag,

und Schatten der Wolken

durchgehn ihn, als dächte der Raum

langsam Gedanken für ihn.

Das hat schon einen philosophischen Gehalt und auch dass Rilke wohl alle Dinge für belebt hielt, kann ein bescheidenes Dichterherz der Erfüllung näher bringen.

Rilke wollte auch nicht den Tod der Ärzte sterben, der ihn, an Leukämie erkrankt, so früh ereilt, sondern seinen eigenen. Jedenfalls hat er die Symptome dieser Krankheit sehr genau an sich selbst beschrieben. Wie genau er schon in gesunden Tagen mit 38 in sich hineinhört und wie er es in Briefe fassen kann, belegt das Folgende:

Ich möchte alles auf einmal lesen und dabei behalte ich das Mindeste, es ist schrecklich, die Mäuse des Kummers von der einen Seite, die Raubvögel des Gefühls von der andern haben mein Gedächtnis rein aufgefressen, ich befühle mich, es lässt sich gar nicht mehr feststellen, wo es seinen Platz hatte.

Sollte man bei allem nicht ihm selbst überlassen, etwas über sich auszusagen, auch wenn es die in Zweifel zu ziehende adlige Herkunft mit einschließt? Es ist ja eher die Kunst, wie er es sagt, denn der Inhalt:

Des alten lange adligen Geschlechtes

Feststehendes im Augenbogenbau.

Im Blicke noch der Kindheit Angst und Blau

Und Demut da und dort, nicht eines Knechtes

doch eines Dienenden und einer Frau.

Der Mund als Mund gemacht, groß und genau,

nicht überredend, aber ein Gerechtes

Aussagendes. Die Stirne ohne Schlechtes

und gern im Schatten stiller Niederschau.

Da steht er schon gemeißelt vor einem, obwohl er sich des Abbildens seiner selbst stets widersetzte und es nur wenige Bilder von ihm gibt. Hatte er sich einen Gedichtband „Mir zur Feier“ noch von Heinrich Vogeler illustrieren lassen, vertraut er später ganz seiner eigens gebildeten Handschrift oder dem gedruckten Wort. Er war frankophil wie Heine, ohne dass er dessen Leichtigkeit besessen hätte und ist mehr Realist als Heine. Man vergleiche dessen Harzreise mit Rilkes Flucht aus Berlin während seines Studiums, das mehr in Museumsbesuchen bestand, nach Treseburg an der Bode, heute ein Ortsteil von Thale:

Deutsche Sommerfrische, ein kleines Tal, so breit wie der kleine rauschende Fluss es gemacht hat, und gerade noch eine Straße daneben, damit recht viele Leute vorbei können. Und alles voll von Aufschriften, Zeigefingern, die hinauf und hinab und um die Ecke weisen, Andenken, Ansichtskarten, Musik und Schokoladenautomaten und ein vollvolles Gasthaus: ich kann mir eigentlich nicht vorstellen, dass und wie ich hier bis August aushalten soll.

Selbst in Paris meint er es kaum aushalten zu können, auch wenn er sich dann kurz vor seinem Tod nichts sehnlicher wünscht, als wieder an dem Ort zu sein, wo er Rodin als Sekretär und Verbreiter des Ruhmes dieses begnadeten Bildhauers gedient hatte und er so viele Bekannte hatte. Aber selbst diese Metropole und künstlerischer Nabel der Welt ist nicht zu seinem Schicksal geworden, wie es das dem nicht viel glücklicheren Heine geworden ist, der uns allerdings viel weniger von seinem Leiden hinterließ. Rilke hat praktisch sein ganzes Leben gelitten, die Form gewahrt und uns beides wissen lassen. Das reichte, um nach Heine als größtem deutschen Dichter des 19. Jahrhunderts, nun das zwanzigste für sich reklamieren zu können.

                                                                                                                                                             C.R. 1.8.2015

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Christian Rempel: Eine Reise stürzt mich in Verwirrung

Eine Reise stürzt mich in Verwirrung Das malerische Ilsenburg am Harz wurde für einige Tage unser Aufenthaltsort. Zweimal versuchten wir von dort den Aufstieg zum Brocken und beim zweiten Mal gelang es auf dem Heineweg, der uns schon beim ersten Mal ins Auge gefallen war, den wir aber für zu lang und nicht bewältigbar hielten. Schließlich war Heine da 27 und wir entweder viel jünger oder viel älter. Vielleicht muss man allein sein, um möglicherweise der Prinzessin Ilse bei ihrem täglichen Bad in dem nach ihr benannten Gebirgsbach zu begegnen. Sie soll im Ilsenstein hausen und über ein kristallenes Schloss verfügen, in das sie denjenigen führt, der so glücklich ist, sie zur rechten Stunde beim Bade anzutreffen, wofür einem königliche Belohnung wird. Man darf aber nicht vorzeitig in den durch sie mit Herrlichkeiten gefüllten Ranzen blicken, sonst findet man nur Tannenzapfen oder Pferdemist vor. Heine verstieg sich nicht dazu, diese Stunde getroffen zu haben, aber er versetzt sich in die Prinzessin, indem er schreibt Ich bin die Prinzessin Ilse, Und wohne im Ilsenstein Komm mit nach meinem Schlosse, Wir wollen selig sein. Einige Verse später stellt Heine fest, dass sie nicht nur Dich, wenn Du die Stunde trafst, umsorgt hat, sondern auch den Kaiser Heinrich, gemeint ist Heinrich IV. Ich will dich küssen und herzen, Wie ich geherzt und geküsst Den lieben Kaiser Heinrich, Der nun gestorben ist. Man rätselt heute noch, ob dieser Heinrich ...

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Das malerische Ilsenburg am Harz wurde für einige Tage unser Aufenthaltsort. Zweimal versuchten wir von dort den Aufstieg zum Brocken und beim zweiten Mal gelang es auf dem Heineweg, der uns schon beim ersten Mal ins Auge gefallen war, den wir aber für zu lang und nicht bewältigbar hielten. Schließlich war Heine da 27 und wir entweder viel jünger oder viel älter. Vielleicht muss man allein sein, um möglicherweise der Prinzessin Ilse bei ihrem täglichen Bad in dem nach ihr benannten Gebirgsbach zu begegnen. Sie soll im Ilsenstein hausen und über ein kristallenes Schloss verfügen, in das sie denjenigen führt, der so glücklich ist, sie zur rechten Stunde beim Bade anzutreffen, wofür einem königliche Belohnung wird. Man darf aber nicht vorzeitig in den durch sie mit Herrlichkeiten gefüllten Ranzen blicken, sonst findet man nur Tannenzapfen oder Pferdemist vor. Heine verstieg sich nicht dazu, diese Stunde getroffen zu haben, aber er versetzt sich in die Prinzessin, indem er schreibt

Ich bin die Prinzessin Ilse,
Und wohne im Ilsenstein
Komm mit nach meinem Schlosse,
Wir wollen selig sein.

Einige Verse später stellt Heine fest, dass sie nicht nur Dich, wenn Du die Stunde trafst, umsorgt hat, sondern auch den Kaiser Heinrich, gemeint ist Heinrich IV.

Ich will dich küssen und herzen,
Wie ich geherzt und geküsst
Den lieben Kaiser Heinrich,
Der nun gestorben ist.

Man rätselt heute noch, ob dieser Heinrich ein Tyrann und Wüstling oder wirklich ein lieber Kaiser war, wie der zur Ilse mutierte Heinrich Heine es sieht. Auf jeden Fall hat er sich im Streit mit dem Papst und den eigenen Fürsten aufgerieben, bekannt ist sein Gang nach Canossa, wo er die Hinwegnahme des Kirchenbannes vom Papst erbettelte, den er nichts desto trotz später, als er wieder mit Bann belegt ward, nach allen Regeln der Kunst bekriegte, dann nicht mehr bat, sondern zwang. Später wurde er dann vom eigenen Sohn, Heinrich V. zur Abdankung gezwungen, obwohl er diesem schon in jungen Jahren den Schwur abgenommen hatte, dass er zu seinen Lebzeiten nicht nach der Herrschaft trachten sollte. Ein guter Kaiser war Heinrich IV. auf jeden Fall für die Juden im Lande, denen er Privilegien einräumte. Vielleicht auch ein Gesichtspunkt für Heine, ihn als Ilse zu herzen und zu küssen. Auch hat er in seinen späteren Jahren dem deutschen Reich versucht Frieden zu bringen. Poetisch gesehen hätte er das vielleicht gleich versuchen sollen, denn das Ilsegedicht endet

Doch dich soll mein Arm umschlingen,
Wie er Kaiser Heinrich umschlang;
Ich hielt ihm zu die Ohren,
Wenn die Trompet‘ erklang.

Bei Ilsen ist man dem Militärischen offenbar abhold, wenn man sich vorm Klang der Trompeten die Ohren verschließen lässt. So gibt es eben auch das Bild vom „lieben“ Kaiser Heinrich, das ihn als Versager brandmarkt, der nicht genug Kraft besessen hätte, sich durchzusetzen. Bismarck meinte jedenfalls, als es mal wieder an die Gründung eines deutschen Reiches ging: „Nach Canossa gehen wir nicht.“ Von einer kränkelnden Republik wird das auch keiner mehr verlangen und wir müssen uns heute nicht mehr festlegen und können gar müßig herumklügeln, was wir von den Heinrichen halten wollen. Des Heinrich Heines Dahinsiechen über acht Jahre in der Matratzengruft ist es sicher auch nicht, was wir nachleben wollen und den Kaiser Heinrich hat man so oft umgebettet, wie das schlechte Gewissen gebot.

C.R. 26.7.15

Wer jetzt literarisch tiefer in den Harz eintauchen möchte, findet in diesem Artikel: Literatur Erbe – Heinrich Heine weitere Links zum Lesen oder Anhören

▶ Heinrich Heine: Die Harzreise – Literatur Erbe

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Christian Rempel: Zum Teufel gejagt

Zum Teufel gejagt Ich stelle mir gerade vor, wie wohl unsere Eltern und Erzieher die Pflichtlektüre von Anton Semjonowitsch Makarenko „Der Weg ins Leben“ reflektiert haben mögen, denn in der jungen Sowjetunion hat man ihn damit schlicht zum Teufel gejagt und wenige Jahrzehnte später war er der größte sowjetische Pädagoge, um nun wieder vergessen zu sein. Er hatte sich der Erziehung von Schwererziehbaren gewidmet und sagt selbst, dass diese Erziehung im Grunde einfacher ist als die Erziehung von normalen Kindern, die in einem normalen Umfeld aufwachsen. ... . ▶ Hinweis: Dies ist eine Vorschau. Um diesen Artikel zu öffnen, bitte in die türkisfarbene Überschrift oder auf das Wort “Weiterlesen” klicken. ▶ Note: This is a preview. Please click in the turquoise-colored heading, to open the article.

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Ich stelle mir gerade vor, wie wohl unsere Eltern und Erzieher die Pflichtlektüre von Anton Semjonowitsch Makarenko „Der Weg ins Leben“ reflektiert haben mögen, denn in der jungen Sowjetunion hat man ihn damit schlicht zum Teufel gejagt und wenige Jahrzehnte später war er der größte sowjetische Pädagoge, um nun wieder vergessen zu sein. Er hatte sich der Erziehung von Schwererziehbaren gewidmet und sagt selbst, dass diese Erziehung im Grunde einfacher ist als die Erziehung von normalen Kindern, die in einem normalen Umfeld aufwachsen. Trotzdem muss er wohl nach dreizehn Jahren solcher erzieherischer Tätigkeit und dem Kampf gegen die Institutionen völlig ausgebrannt gewesen sein, so dass er sich nurmehr der literarischen Aufarbeitung seiner Tätigkeit widmete und schon im Alter von 51 Jahren verstarb.
Die überwiegend weiblichen Exponenten der sowjetischen Erziehung hatten damals erstaunlicherweise schon die gleichen Ideale, wie sie heute en vogue sind. Ihnen stand eine Schar von Theoretikern zur Seite, die ebenfalls lieber mit dem Papier raschelten und in ihren Reden kompromisslos auf Makarenko einhackten. So ist er in der offiziellen Welt ein Einsamer, ein Geschasster geblieben und hatte auch nie eine eigene Familie, nicht mal eine Frau, noch verzeichnet er, dass er jemals in eine Frau verliebt gewesen wäre. Man könne die kindliche Erziehung nicht auf Pflichten aufbauen, die Pflicht sei ein bürgerliches Relikt. Das Kind soll sich frei entfalten und Initiative bestünde darin, dass man sich nach Lenin geordnet zurückzieht und streng Disziplin hält.
Makarenko zieht hingegen ein System kollektiver Kinderarbeit auf, die den Straßenkindern mit den frühreifen Erfahrungen eines mehr oder minder kriminellen Lebens, genau diese in den Mittelpunkt gestellte Arbeit entgegensetzt. Die Zöglinge sind paramilitärisch in Abteilungen eingeteilt und rücken unter Führung eines Kommandeurs zur täglichen Arbeit aus. Die Belange sind weitgehend an einen Rat der Kommandeure delegiert und die Erzieher spielen eigentlich eine untergeordnete Rolle. Fanfarensignale blasen zum Sammeln der Kommandeure oder aller Zöglinge und wenn sie mal einen Ausflug machen, dann ziehen sie mit klingendem Spiel in Sechserreihen im Gleichschritt durch die Straßen. Wir Älteren haben die Verwirklichung dieser Ideen am eigenen Leib erfahren, denn genauso waren bei uns Pionierorganisation und die Freie Deutsche Jugend organisiert. Vielleicht nicht ganz so militärisch und uniformiert, aber genau diese Ideen lagen der offiziellen Kindererziehung und ihrem Erscheinungsbild in der DDR dann auch zugrunde. Das war aber auch gewissermaßen eine Entdeckung dieser Zeit, die ja auch im faschistischen Deutschland ihren Platz hatte. Die damaligen Pädagogen wollten nicht einmal den Begriff der Ehre gelten lassen. Das sei auch ein Relikt aus einer militanten Vergangenheit. Auch einen Wettbewerb oder gar materielle Anerkennungen sollte es keinesfalls geben.
Das alles steht heute auf dem Prüfstand, und die Mängel, an denen wir heute zu leiden haben, wurden in Marburg schon vor 50 Jahren entdeckt und man beschäftigte sich intensiv mit Makarenkos Werk, das damals schon 30 Jahre zurücklag. Dem Totlaufen der Rituale ist Makarenko auf interessante Weise entgangen, indem er sich immer wieder neuen Aufgaben stellte. Erst verließ er mit seinen Zöglingen das zugewiesene Anwesen um ein verlassenes Gut in der Nähe in Besitz zu nehmen, das Gut Treppke, und als dies auch auf Vordermann gebracht war, hielt er Ausschau nach einem neuen Betätigungsfeld, das er mit seiner Gorki Kolonie und dem gesamten Inventar dann in Kurjash findet, wo neben seinen 120 Zöglingen noch weitere 280, verwahrloste, warten. Nach kurzer Zeit entsteht dort in der Nähe die Dsershinskij Kommune, die er dann weitere sieben Jahre leitet. Wir aber haben erlebt, wie sich die Rituale totlaufen konnten, wie dann zum 40. Jahrestag der DDR kaum noch jemand davon auch nur Notiz zu nehmen bereit war. In der Dsershinskij Kommune erlebt dann Makarenko auch zum ersten Mal ein Kollektiv Erwachsener, das ihm bis dahin immer nur als Erziehungsziel vorgeschwebt hatte, aber dieser Kommune ist ein anderes Buch gewidmet.
Die Ehre militärischen Gepflogenheiten zuzuordnen, damit lagen die Kritiker gar nicht so falsch, nur ist eben die Frage, ob das Militärische wirklich so etwas Verabscheuungswürdiges ist, weil es ja dazu erdacht wurde, es einem mit der Disziplin leichter zu machen. Es ist eben leichter sich einem Befehl unterzuordnen, als den eigenen Schweinehund aus einer reinen Nabelschau zu besiegen. Ob nun Arbeit dem Kinde und Jugendlichen angemessen ist, oder man sie lieber sich selbst überlässt und darauf wartet, dass sie Fleiß und Ausdauer von selbst entwickeln, ist eine weitere Frage, die wir heute nicht mehr schlüssig beantworten können. Was aber das Kollektive anbelangt, so beobachten wir noch heute, dass sich Kinder recht gern in Gruppen aufhalten. Die Jugendlichen bevorzugen dann heutzutage schon eher die elektronische Kommunikation, aber noch zu meinen Zeiten war es recht angenehm, gemeinsam herumzuhängen, wie man so sagt. Die gemeinsame Arbeit gehört nun leider der Vergangenheit an, weil keine Kartoffeln mehr zu lesen oder Meliorationsgräben mehr auszuheben sind.
Auf unserem Verlustkonto steht also die Ehre, wir können uns nicht mehr rühmen irgendwer zu sein, das Militärische, es ist einfach nicht mehr notwendig seine Disziplin durch Befehl zu stärken, das Kollektive, wir brauchen uns nicht mehr um die Mitmenschen zu scheren, und die Arbeit, denn das tägliche Brot fällt uns zu bzw. wird uns verordnet. Woraus dann aber noch den Lebenssinn ziehen? Vielleicht aus der Familie, die wir bald ausgesaugt haben, vielleicht aus der Notwendigkeit, doch noch ein bisschen was dazu zu verdienen. Vielleicht dadurch, dass wir den Makarenko noch lesen, der nun seit 25 Jahren zu den Akten gelegt ist, oder aus der Betrachtung des Mondes. Jeder, wie es ihm gefällt.

C.R. 11.4.2015

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Christian Rempel: Appetit auf Neues

Appetit auf Neues Der Zufluss an Texten wird immer dünner, dafür werden die Diskussionen immer ausufernder. Der Appeitit auf neue Texte ist ungebrochen und es sind auch wieder zwei neue Mitglieder zu den Undichtern gestoßen. Manuela, die schon längere Zeit mit dabei ist, und Heinz erklärten ihre Mitgliedschaft. Es ist zwar immer noch nicht ausgemacht, ob es notwendig ist, ein Verein zu sein, aber er geht jetzt schon in sein 25. Jahr und der Vorstand, bestehend aus Lars, Gerhard, Annett und mir, wurde einstimmig wiedergewählt. Es konnte eine gute Bilanz gezogen werden, dass sich der Verein Eitel Kunst e.V. - eine Sammlung Undichter stetig entwickelt hat und um das Vereinsjubiläum im Juni zu krönen, wird zum zweiten Mal eine Anthologie herausgebracht, an der sich dreizehn Vereinsmitglieder beteiligen. Die Anthologie soll in einer Auflage von dreihundert Stück herausgebracht werden und es ist aufgrund der stabilen Finanzlage und einem sehr attraktiven Angebot für den Druck möglich das aus der Vereinskasse zu bestreiten. Es sind auch mindestens drei Lesungen angedacht, um die Anthologie bekannt zu machen. Erfolgreiche Veranstaltungen, wie „Lyrik meets Gospel“ eröffnen die Aussicht, das inzwischen auch in der Bevölkerung wahrgenommene Defizit an Lyrikangeboten auszufüllen. Höhepunkt des Seminars war in diesem Wintermonat aber nicht die Diskussion eigener Texte, sondern die Beschäftigung mit einem Werk von Lutz Seiler, der für seinen Roman „Kruso“ im vergangenen Jahr den deutschen Buchpreis erhalten hat. Dieser Autor war vorher durch Lyrik und kleinere Erzählungen bekannt geworden und hatte schon einige Auszeichnungen für sich reklamieren können. „Kruso“ ist ein DDR Bild und eine Wendegeschichte ganz eigener Prägung, das für uns viele Identifikationsmöglichkeiten bietet. Der Roman spielt fast ausschließlich auf Hiddensee, eine Insel, die es auch einigen der Undichter angetan hat. Schon zu DDR Zeiten war sie ein Treffpunkt für Leute, die eine Nische suchten, die auf die eine oder andere Weise aus der sozialistischen Realität ausgestiegen waren. Nicht selten wurde man von Akademikern bedient oder selbige standen am Abwasch, wie wir aus dem Roman erfahren. Zwar hatte ich meine Gedanken dazu schon in Schriftform gegossen, aber Sinn der Übung war erst einmal, Appetit auf diesen Roman zu machen, wozu ein paar Passagen vorgelesen wurden. Nicht weniger als drei Exemplare, und wenn ich mein ebook dazurechne, vier, lagen auf dem Tisch und wurden weiterverborgt. Dass wir manchmal Gespür für aktuelle Themen haben, bei aller Abgeschiedenheit, zeigte die Tatsache, dass wir gerade über die Inhalte des Begriffs „Kollektiv“ diskutiert hatten und uns der Roman, der über weite Strecken den Charakter eines Kammerstücks hat, ein solches Kollektiv vor Augen führt, auch wenn es in dem Hiddenseeroman ein bisschen zusammengewürfelt ist, denn Gaststätten dort werden ja oft durch sog. Saisonkräfte betrieben. Im Roman heißen sie Esskas und bilden mit den „Schiffbrüchigen“ die zentralen Figuren. Vier haben den poetischen Roman, in dem sich nach meinem Dafürhalten allerdings auch ein Wermutstropfen befindet, schon gelesen und ehe man abschließende Meinungen austauscht, wird man noch ein bisschen warten müssen, bis ihn vielleicht alle gelesen haben. Vielleicht haben auch Sie als Leser dieses Blogs Lust darauf bekommen. Christian Rempel im Waltersdorfe 1.2.2015

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Appetit auf Neues

Der Zufluss an Texten wird immer dünner, dafür werden die Diskussionen immer ausufernder. Der Appeitit auf neue Texte ist ungebrochen und es sind auch wieder zwei neue Mitglieder zu den Undichtern gestoßen. Manuela, die schon längere Zeit mit dabei ist, und Heinz erklärten ihre Mitgliedschaft.

Es ist zwar immer noch nicht ausgemacht, ob es notwendig ist, ein Verein zu sein, aber er geht jetzt schon in sein 25. Jahr und der Vorstand, bestehend aus Lars, Gerhard, Annett und mir, wurde einstimmig wiedergewählt. Es konnte eine gute Bilanz gezogen werden, dass sich der Verein Eitel Kunst e.V. – eine Sammlung Undichter stetig entwickelt hat und um das Vereinsjubiläum im Juni zu krönen, wird zum zweiten Mal eine Anthologie herausgebracht, an der sich dreizehn Vereinsmitglieder beteiligen. Die Anthologie soll in einer Auflage von dreihundert Stück herausgebracht werden und es ist aufgrund der stabilen Finanzlage und einem sehr attraktiven Angebot für den Druck möglich das aus der Vereinskasse zu bestreiten. Es sind auch mindestens drei Lesungen angedacht, um die Anthologie bekannt zu machen. Erfolgreiche Veranstaltungen, wie „Lyrik meets Gospel“ eröffnen die Aussicht, das inzwischen auch in der Bevölkerung wahrgenommene Defizit an Lyrikangeboten auszufüllen.

Höhepunkt des Seminars war in diesem Wintermonat aber nicht die Diskussion eigener Texte, sondern die Beschäftigung mit einem Werk von Lutz Seiler, der für seinen Roman „Kruso“ im vergangenen Jahr den deutschen Buchpreis erhalten hat. Dieser Autor war vorher durch Lyrik und kleinere Erzählungen bekannt geworden und hatte schon einige Auszeichnungen für sich reklamieren können. „Kruso“ ist ein DDR Bild und eine Wendegeschichte ganz eigener Prägung, das für uns viele Identifikationsmöglichkeiten bietet. Der Roman spielt fast ausschließlich auf Hiddensee, eine Insel, die es auch einigen der Undichter angetan hat. Schon zu DDR Zeiten war sie ein Treffpunkt für Leute, die eine Nische suchten, die auf die eine oder andere Weise aus der sozialistischen Realität ausgestiegen waren. Nicht selten wurde man von Akademikern bedient oder selbige standen am Abwasch, wie wir aus dem Roman erfahren. Zwar hatte ich meine Gedanken dazu schon in Schriftform gegossen, aber Sinn der Übung war erst einmal, Appetit auf diesen Roman zu machen, wozu ein paar Passagen vorgelesen wurden. Nicht weniger als drei Exemplare, und wenn ich mein ebook dazurechne, vier, lagen auf dem Tisch und wurden weiterverborgt.

Dass wir manchmal Gespür für aktuelle Themen haben, bei aller Abgeschiedenheit, zeigte die Tatsache, dass wir gerade über die Inhalte des Begriffs „Kollektiv“ diskutiert hatten und uns der Roman, der über weite Strecken den Charakter eines Kammerstücks hat, ein solches Kollektiv vor Augen führt, auch wenn es in dem Hiddenseeroman ein bisschen zusammengewürfelt ist, denn Gaststätten dort werden ja oft durch sog. Saisonkräfte betrieben. Im Roman heißen sie Esskas und bilden mit den „Schiffbrüchigen“ die zentralen Figuren.

Vier haben den poetischen Roman, in dem sich nach meinem Dafürhalten allerdings auch ein Wermutstropfen befindet, schon gelesen und ehe man abschließende Meinungen austauscht, wird man noch ein bisschen warten müssen, bis ihn vielleicht alle gelesen haben. Vielleicht haben auch Sie als Leser dieses Blogs Lust darauf bekommen.

Christian Rempel im Waltersdorfe
1.2.2015

Christian Rempel mit einem ersten Feedback zu unserem Treffen “Lesen und Schreiben” (L&S) 2015

Zum L&S Beim Lesen & Schreiben wurde ein sehr persönliches Gedicht von Christina vorgestellt, das die Nöte der Erstgeborenen thematisiert, die dazu verurteilt sind, weil dieses Erziehungsprodukt ja meist misslingt, als abschreckendes Beispiel herzuhalten und selten völlig akzeptiert werden. Erst die nachrückenden Nesthäkchen können sich positiv von diesem unzulänglichen Vorbild absetzen. "Da hast Du die Soße, werd nur nicht wie die (der) Große", könnte das Credo lauten. Eine Kolumne zum Begriff des Kollektivs mit einem ebenfalls sehr persönlichen Einschlag, kann man unter dem Titel "Ein Reizwort im Wandel" auf der Gedichtladenseite nachlesen. Sie hat das Thema nicht erschöpfend behandelt, aber es klangen in der Diskussion noch weitere Gedanken an, worin die Unterschiede zum heutigen Modewort Team bestehen könnten und warum der Chef heute nicht mehr davon spricht, dass er Kollegen hat, sondern Mitarbeiter (ist ja wohl keine Selbstver¬wal¬tung, oder was?). Als interessant stellte sich heraus, dass es einerseits den Begriff des Teamzwangs nicht gibt, dafür aber beim Kollektiv heute jedem gleich der Kollektivzwang einfällt. Dafür gibt es den Begriff, nicht teamfähig zu sein, aber nicht kollektivfähig zu sein, das gab es, als es noch Kollektive gab, seltsamerweise nicht. Man konnte sich mehr oder weniger ins Kollektiv einbringen, sich mehr oder weniger einfügen, aber die Fähigkeit im Kollektiv zu leben, war jedem, selbst dem Bummelanten oder Säufer, unbenommen. Ja, man konnte selbst im Kollektiv über sich hinauswachsen, das Kollektiv konnte sich mehr oder weniger ausprägen, alles recht wünschenswerte Dinge. "Jeden gewinnen und keinen zurücklassen" war so eine Losung, die sich heute noch sehen lassen kann. Wem heute die Teamfähigkeit abgeht, kann bald arbeitslos den ganzen Tag fernsehen. Manch einem war schon "unsere Menschen" zu besitzergreifend und Anzeichen einer Diktatur, während ein richtiger Diktator gesagt hatte "mein Volk". Auch diese Betrachtung ist natürlich weit von der Vollständigkeit entfernt und man könnte weiter sinnieren, ob "verbrauchten" Begriffen je wieder eine Renaissance beschieden sein kann. Man wird sehen … C.R. nach abendlicher Rückkehr vom L&S im Waltersdorfe, den 14.1.2015

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Zum L&S
Beim Lesen & Schreiben wurde ein sehr persönliches Gedicht von Christina vorgestellt, das die Nöte der Erstgeborenen thematisiert, die dazu verurteilt sind, weil dieses Erziehungsprodukt ja meist misslingt, als abschreckendes Beispiel herzuhalten und selten völlig akzeptiert werden. Erst die nachrückenden Nesthäkchen können sich positiv von diesem unzulänglichen Vorbild absetzen. „Da hast Du die Soße, werd nur nicht wie die (der) Große“, könnte das Credo lauten.
Eine Kolumne zum Begriff des Kollektivs mit einem ebenfalls sehr persönlichen Einschlag, kann man unter dem Titel „Ein Reizwort im Wandel“ auf der Gedichtladenseite nachlesen. Sie hat das Thema nicht erschöpfend behandelt, aber es klangen in der Diskussion noch weitere Gedanken an, worin die Unterschiede zum heutigen Modewort Team bestehen könnten und warum der Chef heute nicht mehr davon spricht, dass er Kollegen hat, sondern Mitarbeiter (ist ja wohl keine Selbstver­wal­tung, oder was?).
Als interessant stellte sich heraus, dass es einerseits den Begriff des Teamzwangs nicht gibt, dafür aber beim Kollektiv heute jedem gleich der Kollektivzwang einfällt. Dafür gibt es den Begriff, nicht teamfähig zu sein, aber nicht kollektivfähig zu sein, das gab es, als es noch Kollektive gab, seltsamerweise nicht. Man konnte sich mehr oder weniger ins Kollektiv einbringen, sich mehr oder weniger einfügen, aber die Fähigkeit im Kollektiv zu leben, war jedem, selbst dem Bummelanten oder Säufer, unbenommen. Ja, man konnte selbst im Kollektiv über sich hinauswachsen, das Kollektiv konnte sich mehr oder weniger ausprägen, alles recht wünschenswerte Dinge. „Jeden gewinnen und keinen zurücklassen“ war so eine Losung, die sich heute noch sehen lassen kann. Wem heute die Teamfähigkeit abgeht, kann bald arbeitslos den ganzen Tag fernsehen. Manch einem war schon „unsere Menschen“ zu besitzergreifend und Anzeichen einer Diktatur, während ein richtiger Diktator gesagt hatte „mein Volk“.
Auch diese Betrachtung ist natürlich weit von der Vollständigkeit entfernt und man könnte weiter sinnieren, ob „verbrauchten“ Begriffen je wieder eine Renaissance beschieden sein kann. Man wird sehen …
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C.R. nach abendlicher Rückkehr vom L&S im Waltersdorfe, den 14.1.2015

Christian Rempel: Filmkritik zu „Honig im Kopf“

Filmkritik Das Kino ist rammelvoll, wo seit Weihnachten der Til Schweiger Film "Honig im Kopf" läuft. Schon die 14 Uhr Vorstellung ist fast ausverkauft. Natürlich gibt es auch da erst mal Werbung und dann das Logo Warner Bros., dass man denkt, man ist im falschen Film, der ja eigentlich ein deutscher sein sollte. Eigentlich dreht sich der Film nur um eine Vierpersonenfamilie, in der der Opa (Dieter Hallervorden) Alzheimer vom Feinsten hat. Der Til Schweiger gibt den Sohn dieses Opas und Jeanette Hain seine Frau. Die eigentliche Hauptperson neben dem Opa ist allerdings die im Film elfjährige Enkelin, die Tiltochter Emma spielt. Da der Opa so ziemlich alle Register eines Alzheimerkranken zieht, vom Wohnungsbrand bis hin zur geschmissenen Sommerparty, weil er da gleich mal das Feuerwerk auslöst und die Szene in einen Kriegs-schauplatz verwandelt, wofür die Schwiegertochter anfangs wenig Verständnis zeigt, aber sich so nach und nach hineinfindet, liegt es nahe, dass er weniger bei den Erwachsenen, als vielmehr bei der Enkeltochter Anklang und Verständnis findet. Das mag die tiefere Wahrheit sein, dass Kinder viel unkomplizierter mit solchen Gebrechen umzugehen verstehen und eine eigentliche Zuwendung zu diesen Ältesten eben nur von den Jüngsten zu erwarten steht. Wie das jeweilige Chaos, das natürlich Kinder auch nicht im Griff hätten, dann immer wieder beseitigt wird, davon schweigt der Schweigerfilm natürlich und man muss wohl auch einräumen, dass so viel Capriziosität mit derartigen Sachschäden auch nur Wohlsituierte überstehen können. All die Schäden in Form demolierter Wohnungseinrichtung oder zerfah-rener Autos wird natürlich, so das Kalkül des erfolgreichsten deutschen Filmemachers, durch die Geld-schwem¬me in die Kinokassen mit Leichtigkeit ausgeglichen. Der Zuschauer hat also immerhin etwas für's Auge, gerade als Opa und Enkelin eine malerische Reise nach Venedig antreten, die nicht ohne abenteuerliche Zwischenfälle abgeht.. Da begegnen den beiden immer wieder Menschen, die ihnen weiterhelfen, die Verständnis dafür haben, dass sich ein Opa, der derart von der Rolle ist, im normalen Leben bewegt. Auch das mag der Traumfabrik geschuldet sein, wie auch die Tatsache, dass das entfleuchte Duo Opa-Enkeltochter im gleichen Nobelhotel und unmittelbar den suchenden Eltern benachbart Quartier nimmt. Man hat solche etwas abgegriffenen Kniffe schon gern, denn man ist ja schließlich im Kino. Es kommt aber auch echte Rührung auf, als Emma, mal wieder auf der Suche nach verlaufenen Großvater, sich in die Fluten des Lido stürzt, zu ihm schwimmt, und gerade das der Moment ist, wo er selbst seine Prinzessin nicht mehr erkennt. Bis dahin konnte man staunen, auch ein bisschen lachen und dann kommen auch noch die Tränen der Rührung, kann man denn mehr im Kino erwarten? Christian Rempel im Waltersdorfe 11.1.2015

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Filmkritik

Das Kino ist rammelvoll, wo seit Weihnachten der Til Schweiger Film

„Honig im Kopf“ läuft. Schon die 14 Uhr Vorstellung ist fast ausverkauft. Natürlich gibt es auch da erst mal Werbung und dann das Logo Warner Bros., dass man denkt, man ist im falschen Film, der ja eigentlich ein deutscher sein sollte.

Eigentlich dreht sich der Film nur um eine Vierpersonenfamilie, in der der Opa (Dieter Hallervorden) Alzheimer vom Feinsten hat. Der Til Schweiger gibt den Sohn dieses Opas und Jeanette Hain seine Frau. Die eigentliche Hauptperson neben dem Opa ist allerdings die im Film elfjährige Enkelin, die Tiltochter Emma spielt.

Da der Opa so ziemlich alle Register eines Alzheimerkranken zieht, vom Wohnungsbrand bis hin zur geschmissenen Sommerparty, weil er da gleich mal das Feuerwerk auslöst und die Szene in einen Kriegs­schauplatz verwandelt, wofür die Schwiegertochter anfangs wenig Verständnis zeigt, aber sich so nach und nach hineinfindet, liegt es nahe, dass er weniger bei den Erwachsenen, als vielmehr bei der Enkeltochter Anklang und Verständnis findet. Das mag die tiefere Wahrheit sein, dass Kinder viel unkomplizierter mit solchen Gebrechen umzugehen verstehen und eine eigentliche Zuwendung zu diesen Ältesten eben nur von den Jüngsten zu erwarten steht. Wie das jeweilige Chaos, das natürlich Kinder auch nicht im Griff hätten, dann immer wieder beseitigt wird, davon schweigt der Schweigerfilm natürlich und man muss wohl auch einräumen, dass so viel Capriziosität mit derartigen Sachschäden auch nur Wohlsituierte überstehen können.

All die Schäden in Form demolierter Wohnungseinrichtung oder zerfah­rener Autos wird natürlich, so das Kalkül des erfolgreichsten deutschen Filmemachers, durch die Geld­schwem­me in die Kinokassen mit Leichtigkeit ausgeglichen. Der Zuschauer hat also immerhin etwas für’s Auge, gerade als Opa und Enkelin eine malerische Reise nach Venedig antreten, die nicht ohne abenteuerliche Zwischenfälle abgeht.. Da begegnen den beiden immer wieder Menschen, die ihnen weiterhelfen, die Verständnis dafür haben, dass sich ein Opa, der derart von der Rolle ist, im normalen Leben bewegt. Auch das mag der Traumfabrik geschuldet sein, wie auch die Tatsache, dass das entfleuchte Duo Opa-Enkeltochter im gleichen Nobelhotel und unmittelbar den suchenden Eltern benachbart Quartier nimmt. Man hat solche etwas abgegriffenen Kniffe schon gern, denn man ist ja schließlich im Kino.

Es kommt aber auch echte Rührung auf, als Emma, mal wieder auf der Suche nach verlaufenen Großvater, sich in die Fluten des Lido stürzt, zu ihm schwimmt, und gerade das der Moment ist, wo er selbst seine Prinzessin nicht mehr erkennt.

 Bis dahin konnte man staunen, auch ein bisschen lachen und dann kommen auch noch die Tränen der Rührung, kann man denn mehr im Kino erwarten?

Christian Rempel im Waltersdorfe
11.1.2015

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