Categotry Archives: Lyrik A. Schrock

Kinderwünsche

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„Ach, schenkte mir der Himmel ein grünes Haus .“ Heinrich von Kleist

Ach, schenkte mir der Himmel ein Pferd, das Lissi heißt.

Ach, schenkte mir der Himmel einen schönen Brief von Kleist.

Ach, schenkte mir der Himmel, dass ich keine Neurodermitis habe.

Ach, Kleist, ich bin wunschlos glücklich. Ich hab keine Klage.

Ach, schenkte mir der Himmel die Fähigkeit, Gedanken zu lesen.

Ach, schenkte mir der Himmel ein Bild, wie Kleist nun gewesen.

Ach, schenkte mir der Himmel, dass ich nicht nach Erkner ziehen muss.

Ach, schenkte mir der Himmel einen himmelblauen, langen Fluss.

Ach, schenkte mir der Himmel ein gutes Gewissen, einfach so.

Ach, schenkte mir der Himmel einen gelben Bungalow.

„Zettel an Grünem Haus“, Projekt der Klasse 4b, Gerhart-Hauptmann- Grundschule Grünheide unter Leitung von Kerstin Hanne. Reim: Andreas Schrock, Frankfurt/ Oder 27./28. September 2011

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Die Kunsthändlerin

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Wissen ‚Se, das muss aufhören. Es muss aufhören mit dem Zählen.
Das sind Künstler, mit dem Glas, die aus Böhmen, schauen `Se,
der Engel in Orange, ich liebe Engel,
welcher Engel, bittschön, trägt denn von Oben bis unten Orange.
Wissen `Se, wie auffällig das ist? Sie gehen etwa einkaufen,
und dieser Engel folgt ihnen, schweigend, in Orange, etwas versetzt,
sagen wir, einen halben Meter. Das geht doch gar nicht.

Ich liebe den Engel. Er ist immer da, in der Vitrine, keiner kauft ihn, also bleibt er im Geschäft. Er ist aus Glas, aber
er trägt etwas in sich, was man nicht sieht, jedenfalls nicht gleich.
Er ist ja Geschöpf, und der Schöpfer ist ein Tscheche, den ich liebe,
oder Gott, mit dem ich streite, keine Ahnung, wissen `Se,
aber jetzt muss es aufhören mit dem Zählen.

Die Künstler bitten mich. Mach weiter, sagen sie,
du bist Kunsthändlerin, wir brauchen dich. Die Galerien
machen ja zu, eine nach der anderen, machen sie zu.
Aber jetzt geht es nicht mehr, es muss aufhören mit dem Geld,
mein Lebtag hab ich gezählt, hab ich gehungert,
nach Beziehungen, wissen ´Se.
Ach, Sie sind jung, und ich bin eine alte Schachtel. Bitte schön,
bin ich eben eine Schachtel. Aber zählen will ich nicht mehr.

Wissen `S, das Zählen ist ja ein Versprechen, das was mehr wird,
dass man satt wird, unterm Apfelbaum liegen kann. Ich liebe den Engel aus Böhmen, den Verrückten.

Der versteht mich nicht mal, als Böhme, wie soll er auch,
aber ich verstehe ihn, wissen`S. Er schweigt. Und das ist mein Glück.
Er ist einfach da, wenn ich jetzt aufhöre mit Zählen.

Ich bitte Sie, ich danke Ihnen, leben Sie wohl, zählen Sie.
Zählen Sie ihre Lieben, und achten sie auf sie. Zählen Sie ihre Frauen, ihre Kinder, und verzählen Sie sich nicht, bittschön.
Zählen Sie Ihre Brüder oder Schwestern. Zählen Sie die Tage bis zum ersten Schnee, zählen Sie die Abende, ihre Geheimnisse.

Aber denken Sie dran, irgendwann gibt es von allem nur eins: ein Leben, eine Liebe, ein Schweigen und ein Hören, ein Wort. Eine Mark und ein Totenhemd.

Eine alte Schachtel bin ich, bittschön, nehmen ‚S nicht krumm, gell?
Es gibt nur diesen Engel, nehmen ’S, nehmen Sie, bitte schön.
Ich kann eins und eins zusammenzählen, aber
Sie werden ihn brauchen, den Minister in Orange.
Er ist gläsern und etwas scheint durch.

Leben Sie.
Leben Sie
wohl.

Andreas Schrock, März 2019 Dresden

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Immerfort muss ich lesen

▶ Gedicht: Immerfort muß ich lesen ein Audio-Beitrag Text und Darbietung: Andreas Schrock ▶ Hinweis: Dies ist eine Vorschau. Um diesen Artikel zu öffnen, bitte in die türkisfarbene Überschrift oder auf das Wort “Weiterlesen” klicken. ▶ Note: This is a preview. Please click in the turquoise-colored heading, to open the article.

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dorfstraße nachts

* das dach hängt schief im gemäuer ein hund springt mich an meine seele ist dran flacher wind treibt tränen ins gesicht fernlicht blendet der fahrer hält auf mich zu ich spür meinen atem rasseln ein betrunkener radelt die straße hinab brummt sorglos: heim, nur heim tür zu hund raus blinder fleck Andreas Schrock, Rakow

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*

das dach hängt
schief im gemäuer
ein hund springt mich an
meine seele ist dran

flacher wind treibt
tränen ins gesicht
fernlicht blendet
der fahrer hält
auf mich zu
ich spür meinen atem
rasseln

ein betrunkener radelt
die straße hinab
brummt sorglos:
heim, nur heim
tür zu hund raus
blinder fleck

Andreas Schrock, Rakow