Ein Eimer frei
ist noch bei mir
für Müll auf Reisen
für’s Heidenurlaubspapier
ja ich vermiete drei von meinen
sieben Blecheimern
Heinz hat sie mir
überschrieben
(die, die vom letzten mal
noch über blieben)
Hand auf den Eimer
Eimer in der Hose
wenn’s scheppert
bin ich glücklich
(wie ’n Franzose)
darum halt ich frei
mein Herz, drei Eimer
bei drei verzinkten
bleibt für jeden einer
Fischerkähne hergeirrt
aus schwarzem Holz
zieht Nebel auf
schon stürzt Reif
vom Weiß der Dampfer
trödelt Schnee
auf‘s Wasserfeld
Havelbucht trägt Schwermut
fängt die Dämmerung
Lastkahn sammelt
schwarze Vögel
Blesshuhn zieht die
Nacht ins Schilf
Der iss doch hier
immer so langgeloofen
jahrelang iss der hier …
…
und dann hat der so
jekiekt
so … so … so
nach unten
als ob da wat wäre!
Aber da war janischt!
Nichmal Kleejeld!
Nee heutzutage läßt
keener mehr wat fallen
Laß du mal wat liegen
nur 5 Cent
det liecht nich lange?!
Deshalb sind die Straßen
so sauber bei uns,
da wird jeder Stein umjedreht
wo iss bloß Hugo jeblieben
der iss doch immer hier
langjeloofen, immer jeden Tach
und hat so jekiekt
meine Briefe meine Gedanken
richte ich an alle
die mir erreichbar, aber
an jene zuerst
die mir apfelgleich mondbleich
zuneigen ihre
erdabgewandte Seite
im Niemandsland will ich
begegnen jenen mit
dem Brief in der Hand
auch Amsel und Unglück
trage ich ein
ins Adressbuch
laßt euch schreiben bald mehr
als Motive auf Briefmarken
Donnerstag, 16. März 2023, 19 Uhr, Haus der Natur Potsdam
Lindenstr. 34, 14467 Potsdam (Innenhof der Waisenhausstiftung)
Der Berliner Erhard Scherner, 1929 geboren, sang in den dreißiger Jahren im Chor der Rundfunkspielschar des Deutschlandsenders und wirkte als Kleindarsteller in Heinz Rühmanns legendärer „Feuerzangenbowle“ mit. Am Ende des Zweiten Weltkriegs geriet der Junge als Kindersoldat in amerikanische Kriegsgefangenschaft und lernte unter anderem, was fragebogened ist.Am Beginn der Neuen Zeit in Ostdeutschland studierte er an der Berliner Humboldt-Uni Deutsch und Geschichte und promovierte. In der jungen DDR wurde Scherner Neulehrer, Parteiarbeiter und Funktionär.Mit seiner Frau, der Sinologin Helga Scherner, lebte und arbeitete er mehrere Jahre als Verlagsmitarbeiter in China.Die Verwobenheit seiner Biographie in die Zeitläufte, in die deutsche und in die internationale Geschichte, prägte Scherners Denken und seine Weltsicht. Sie machte ihn zum unerschütterlichen Pazifisten. Erhard Scherner ist Lyriker, Nachdichter und Verfasser von „unerhörten Begebenheiten“, exzellenten Novellen im Goethischen Sinne. Der Autor rettete mitunter heimischen Kröten das Leben und angeblich rettete ein chinesischer Papagei das seinige…
Sven Boeck, Jahrgang 1968, ebenfalls Berliner, Dokumentarfilmer und Produzent, stieß durch einen Zufall auf die Biographie von Erhard Scherner. Was eigentlich nur als „Gespräche mit Ton“ geplant war, wuchs zum respektablen Film. Sven Boeck „gräbt“ gemeinsam mit seinem Protagonisten in Erinnerungen. Er betrachtet dessen Leben mit dem Blick der „Nachgeborenen“, die in einer anderen Zeit andere Hoffnungen und Erwartungen bewegen.
Anschließend Filmgespräch mit Erhard Scherner und Sven Boeck, Moderation: Jutta Schlott