Ihr Lieben,
Wer von Euch Haiku, Tanka oder lyrische Texte zur Veröffentlichung in unserem Blog zur Verfügung stellen kann und möchte, sollte vornehme Zurückhaltung aufgeben, sich ein Herz fassen (wenn nötig) möglichst zeitnah eine Mail senden. Bei der Gelegenheit bedenkt möglicherweise auch Stephan und Andreas mit Zusendungen von Beiträgen für unser Sommer-GeWa.
Vielen Dank im Voraus.
Liane Fehler Onlineredaktion
Categotry Archives: 2020 bis 2025
Lars Steger: farbige stümpfe
farbige stümpfe
damit niemand dort stolpert
gefälltes leben
sibyll maschler: Zerlegung eines VorGanges. In vier Akten.
Zerlegung eines VorGanges. In vier Akten. Beteiligte Personen: Frau, Mann und Sohn im Westen, Frau im Osten Orte: Haus, Straße, Garten, Zuhause
Zerlegung eines VorGanges. In vier Akten.
Beteiligte Personen: Frau, Mann und Sohn im Westen, Frau im Osten
Orte: Haus, Straße, Garten, Zuhause
- Akt.
Sie verlässt das Haus. Mit Glas im Gepäck. Und einem Grund. Oder mehreren. Oder grundlos. Wer weiß. Sie geht. Es wird gesagt: Kein leichter Spaziergang. Aus dem Garten. Fort. Längst. Mit dem Vorhaben weit. Für immer. Vielleicht. Sie geht demonstrieren. Gegen ihre Familie. Oder für eine Kleingruppe. Aus Protest. Für eine Auszeit. Sie sieht sich. Im Fensterglas. Denken. Andenken. Nachdenken. Ansehen. Nachsehen. Von Westen nach Osten. Und zurück. Ein Hin und Her. Über Konkurrenz. Nach und Teilen. Sie will. Ihren Körper spüren. Wege ausprobieren. Wälder, Kreuzungen, Ländereien begehen. Bergan, bergab, erlaufen. Ausdauernd. Hauptsache fort. Vor wem? Von Zuhause? Und was es mal war.
Sie geht weit. Unbedarft. Prüft nicht, wie weit sie geht. Was kann sie zumuten? Sich? Anderen? Sie geht weiter. Sie greift ein. Ohne Grübeln. Handelt ohne Vordenken. Sie nimmt ein Glas. Es ist von ihr. Er hat es ins Haus gebracht. Nun hat sie das Glas. Sie wirft Glas. Mit Macht. Und Genugtuung. Fort. Splitter. Auf der anderen Seite. Eine Lache. Die saubere Hand. Nun blutet sie. Sie ist weit gegangen. Das Glas ist nun fort. Sie ist da. Erst jetzt, spät, sehr spät, hält sie inne. Es dunkelt. Ringsum. Furcht. Der Körper trägt nicht mehr. Sie ist allein. Hier und zu Hause auch.
- Akt
Sie denkt. Ich brauche Hilfe. Wer gehört zur Familie? Noch. Sie gehört dazu. Nun. Sie ruft. An einen Sohn. Anrufung. Wen ruft sie? Einen Mann. Ist es ihr Mann? Er war es sicher. Gegenwärtig vermutlich. In seinem Zimmer. Telefonate. Seit Monaten. Zu oft. Trotz ihres Verbotes. Ist er unterwegs. Im Netz und werkt. Er ist nicht da. Und dort. Kopfkino. Anklage. Am Telefon. Der Körper ist erschöpft. Er sagt. Ich will Hilfe. Sie auch.
- Akt
Sie fragt. Sich. Bleibt er? Aus Verantwortung. Er hat Kraft. Neu. Er ist schmal. Und gräbt im Sand. Im Garten. Ein Loch. Nach Wasser. Es ist tief. Sie lässt ihn. Graben. Im Erdreich. Steckt er fest. Vielleicht.
Sie dort. Im Osten. Darf es nicht wissen. Dass er nach Wasser gräbt. Sie soll ihn nicht sehen. Nicht berühren. Sie darf ihm nicht helfen. Beim Ausgraben. Schöpfen. Baggern. An Ufern.
Nach den Wochenenden. Fragen. Wie viel Liebe hat er? Bei Ihr? Er hat viel. Mit. Gefühl. Mit Leid. Er ist groß. Und hat mehr. Als schöne Augen. Der Blickwinkel ist fraglich. Die Position offen.
- Akt
Sie setzt sich. In der Ferne. Auseinander. Und zu ihnen. In den Westen. Diese Familie. Wer ist sie. Diese Frau. Nicht gläsern. Und er? Wen wird er schützen? Grüßen. Was hat das. Mit ihr zu tun. Was wird es machen? Mit ihr? Wenn diese Frau zu weit geht. Was dann?
sibyll maschler
Juni 2020
Die Nacht
„Lesen und Schreiben“ in der Bibliothek der Stadt Wildau – Wir sagen leise Servus und ganz laut DANKE!
Liebe “Eitlen Künstler”, – liebe Freunde,
viele Jahre durften wir Literaturinteressierte in der Bibliothek in Wildau zu Gast sein und möchten uns (ich gehe davon aus, nicht nur im eigenen Namen zu sprechen) für die stets entgegengebrachte Gastfreundschaft und Umsorgung, für die perfekte Organisation und das Managen jeglichen Drum und Drans – bei Annett Goldberg ganz herzlich bedanken.
Sie hat dafür gesorgt, dass für uns dort ideale Voraussetzungen für die kreative Arbeit in der Gemeinschaft gegeben sind und das neben ihren zahlreichen anderen Aufgaben, die sie für unseren Verein auch noch gestemmt hat.
Nun, die Fußstapfen sind groß, in die wir jetzt mit der Neu-Organisation von „Lesen und Schreiben“ treten werden, das ab Mittwoch, dem 9. September 2020 in der Karl-Marx- Strasse Nr. 123 in 15745 Wildau in den Räumen der AWO – welche auch den Seniorentreff beherbergen – stattfinden wird.
Liebe Annett,
vielen, vielen Dank für Deine umfangreiche, bisher geleistete Arbeit in all den Jahren, Deine Energie und Dein Engagement – immer im Sinne unseres Vereins – das könnte mein Thema werden für die von Gerhard angeregte Thematik: Helden.
Wenn ich mir vorstelle, dass jedes Mitglied unseres Vereins einen solchen Einsatz wie Du an den Tag legen würde: Was wäre dann alles möglich?
In Abwandlung eines Sprichwortes möchte ich anregen:
Frage Dich nicht, was der Verein für Dich tun kann,
sondern frage Dich lieber, was Du für den Verein tun kannst.
Liane Fehler
Onlineredaktion
PS: Aufgrund der ihr eigenen Bescheidenheit hat Annett oft still und effektiv die Lösung von Herausforderungen und Problemen unseres Vereins in Angriff genommen. Deshalb vermute ich, dass Einige von uns gar nicht genau wissen, welchen Umfang ihr Engagement umfasste.
Die Organisation von „Lesen und Schreiben“ habe ich bereits angedeutet, dazu kam das Managen der „Vereinspenunze“, das Suchen und Finden von Banken, die möglichst wenig von unseren Mitgliedsbeiträgen als Gebühren einfordern, damit jede „Eurone“ möglichst sachdienlich ausgegeben werden kann.
Das Gedankenwasser – jedes Heft – zur Druckreife bringen durch eine Endkontrolle, Probedruck etc. und die Abstimmungen mit den jeweiligen Redakteuren und anderes, bis es das Gedankenwasser von ihr bei „Lesen und Schreiben“ an die Anwesenden verteilt wurde – auch um teures Porto einzusparen.
Oft – so gut wie immer (korrigiert mich bitte, falls ich falschliegen sollte), hatte Annett einen maßgeblichen Anteil bei der Organisation von Seminaren – Absprachen mit den Vermietern, Absprachen mit den Mitgliedern unseres Vereins – Verpflegung organisieren.
Falls sie mal die Branche wechseln wollte, hätte sie genug Erfahrungen im Veranstaltungsmanagement, vermute ich mal – auch vielleicht im Umgang mit „schwierigen Kunden“ auf jeden Fall hat sie das Talent, welches es braucht, um einen Sack Flöhe hüten zu können – wo jeder in eine andere Richtung hüpfen will. Die Kunst besteht sicher auch darin, sich selbst immer wieder zu motivieren – nicht vor der Aufgabe zu kapitulieren – eben nicht aufzugeben, sondern noch einmal nach zu fragen. Das ist sicher nicht vergnügungssteuerpflichtig gewesen.
Es ist noch längst nicht auserzählt, aber Andere können dieses Thema gern aufgreifen und ergänzen. Ich erhebe hier nicht den Anspruch auf Vollständigkeit. Entschuldigt bitte, dieser Nachtrag ist etwas länger geworden, aber bei dem Pensum, das ich würdigen wollte, war das auch bei angestrebter Beschränkung auf das Wesentliche nicht kürzer darstellbar. Vielen Dank für Euer Interesse.
Einladung zu „Lesen und Schreiben“ in neuen Räumen
Liebe “Eitlen Künstler” und Freunde der “UnDichter”,
Ihr seid ganz herzlich eingeladen, Euch wieder nach Lust und Laune einzubringen, an Gesprächen über Texte zu beteiligen und engagiert ein „Für“ oder „Wider“ zu vertreten oder aber ein „Sowohl – als auch“ – ganz nach Temperament und Stimmung.
Unser neuer Treff für die Veranstaltung Lesen und Schreiben wurde bestätigt und wird ab dem 9. September 2020 in der Karl-Marx- Straße Nr. 123 in 15745 Wildau sein. Wie bisher auch treffen wir uns immer am 2. Mittwoch im Monat gegen 16:30 Uhr.
Dort könnt ihr wie – bisher auch – gern eigene Texte vorstellen und ein erstes Feedback erhalten. Das gilt auch für selbst komponierte Lieder, für Bilder, Zeichnungen und Fotos oder andere kreative Ausdrücke, die denkbar sind.
Literaturinteressierte und Neugierige sind zu diesen Arbeitstreffen herzlich eingeladen.
Liane Fehler
Onlineredaktion
PS: Mein Dank gebührt unserer lieben Vereinskameradin Susann Schulz, die uns bei diesem Wechsel maßgeblich unterstützt hat.
Isabel Arndt: Sabbattagebuch „Unterwegs“
I
16.01.20
Es gibt solche Tage. Solche, die ins Licht geboren werden. Die beginnen, wenn es Zeit ist.
Die anderen, die aus der Nacht geschnitten werden, Frühchen von Tagen also, die blass und schwach starten, die im Brutkasten des Morgens liegen – die will ich nicht mehr beginnen noch beenden. Jetzt, jetzt, jetzt kriegen die Tage ein Possessivpronomen, sie heißen: meine.
Noch zwei Monate und ich fahre los. 51 Jahre mit dem Leben verhandelt. Auf Knien, im Dreck, im Sturm. Verträge abgeschlossen, kleinste gemeinsame Nenner gefunden. Je mehr Kompromisse, destokleiner die Zahl. Bin Bruch, immer der Bruch eines Ganzen gewesen. Jetzt werde ich Zähler sein. Die Sache ist gekippt. Die Südhalbkugel wird für mich bald oben sein. Das Ende der Welt, el fin del mundo ein Anfang.
Ich möchte ins Fremde tauchen. Ins Dunkel, ins Unbekannte. Es hat Gesichter, Sprachen, Farben, Gerüche. Es hat Gassen und steinige Aufstiege. Es hat womöglich spitze Zähne. Ich kenne es nicht. Es ist wie das Morgen. Ich möchte es begrüßen. Aufrichtig, freundlich, respektvoll. Möchte das Haus erkunden, das unsere Welt ist. Den Mörtel und die Einschusslöcher.
II
10.03.20
Zwei Wochen noch. Die Spielfigur rückt voran. Mein Zeigefinger reist bunten Linien nach. Das Tablet leuchtet. Ich erkläre etwas, was mit mir nichts zu tun hat. Kap Horn, die Magellan-Straße, Torres del Paine im Lieblingsrestaurant. Warmer Kerzenschein und die ganzen Möglichkeiten füllen den Raum.
Wirklich dort sein wird komplett anders sein, heftigster Wind, mit Schnee ist immer zu rechnen und die Einsamkeit und ich – wir werden Freundschaft schließen müssen.
Jedes Abschiedstreffen bringt neue Ratschläge: was ich mitzunehmen, zu bedenken, zu planen, keinesfalls zu verpassen habe. Es ist fast gar nicht mehr meine Reise. Ich weiß, ihr meint es gut; ich mag euch, alle, die ihr euch sorgt. Einiges wird mich beschützen, anderes Ballast sein – wie unterscheiden? Die Ausrüstung unter die volle Gießkanne halten bringt neue Erkenntnisse. Einiges muss neu besorgt werden. Noch ist ein bisschen Zeit. Sicher ist: ich werde nicht auf alles vorbereitet sein. Muss improvisieren. Muss eine Achillessehne mitnehmen, die vor all dem streikt. Toller Zeitpunkt, wirklich. Ich verlasse Menschen, die ich liebe und liebenswerte welche, die ich grade erst traf.
Das Haus hat noch keinen, den es wärmt, wenn ich weg bin; wir suchen noch immer, das zermürbt. Und was wird dieser Virus noch alles anstellen, welche Grenzen versperren sich – am Ende kann ich nirgendwohin. Und womit? Der perfekte neue Rucksack steht vollgepackt im Wohnzimmer neben all den Sachen, die auch noch mit wollen. Die Gedanken rennen in meinem Kopf kreuz und quer. Die Tagesaufgaben auf Arbeit erledigt grade jemand, der aussieht wie ich, aber gar nicht bei der Sache ist. Ach, sag ich. Dabei wollte ich mich doch freuen.
III
16.03.20
Was tun?
Ein winziger Virus namens Corona tanzt auf meinen großen Plänen herum. Immer mehr Leute werden krank, Leute sterben irgendwo und das irgendwo kommt näher. Die anderen hamstern die Märkte leer, es gibt Handlungsanweisungen zur Handdesinfektion, zur Einschränkung sozialer Kontakte. Aber ein Telefon kann einen doch nicht umarmen.
Immer mehr Grenzen gibt es, allerorten wird zugesperrt. Die Angst oder die Vernunft – wer regiert hier? Ich weiß es nicht mehr. Ich kann doch jetzt nicht mehr an meinen Plänen festhalten – wie verrückt ist das denn? Das Auswärtige Amt sagt „nicht notwendige Reise“. Das Virus könnte auch mich irgendwo befallen und wäre ich dann nicht lieber bei maximaler medizinischer Versorgung hier?
In einer solchen Situation mache ich immer Lose. Das ist natürlich das Unvernünftigste, was man tun kann. Aber ich hab es extra schwer gemacht: von 4 Losen war nur eins dafür, weiterhin und jetzt nach Chile zu wollen. Als ich es zog, wusste ich, dass ich es ziehen wollte.
Ich bin längst nicht mehr hier. Weiß nicht, für wen all diese Mails sind, wovon sie handeln oder was von mir zu erwarten ist. Chilenische Pampa in meinem Kopf, Teppichboden unter den zuckenden Füßen.
IV
17.03.20
Auswärtiges Amt: „Ab Mittwoch, den 18.März 2020 schließt Chile seine Luft-, See- und Landgrenzen für die Einreise von Ausländern.“die zeitfenster sind durchsichtig. auch geschlossen sehe ich noch gelobtes land dahinter. ich habe ein bedrucktes papier namens ticket – ich hätte es nicht opodo, sondern dem schicksal abkaufen sollen.
man kann im eigenen traum ertrinken, mit den armen rudernd als teilte sich dadurch das vierbuchstabige „nein“ in zwei einzelne „ja“, von denen eins reichen würde, hindurchzuschlüpfen. aber das wünschen reicht nicht. und nicht, sich genau zu überlegen, wie alles passen könnte bis alles so schön passt, dass es zu schön ist für die wirklichkeit. träume dürfen das, die können gar nicht schön genug sein. aber wenn die träume mal wirklichkeit sein wollen, wenn die seifenblasen mal nicht blöd bei jedem wind und fremdkontakt platzen wollen, dann … und das heißt dann chance. daraus kann sich ganz was neues entwickeln, ganz was großes und schönes…
Das Personalreferat ist nett. Ich darf mir das nächstes Jahr noch mal wünschen. Das wird toll.
V
29.03.20
Vielleicht hätte der Zug noch funktioniert. Trotz Ausgangssperre. Vielleicht hätte Isabel Arndt am 24.03.20 noch 10:10 Uhr mit diesem Ticket von Dresden nach Frankfurt Flughafen fahren können. Statt dessen läuft sie, laufe ich – woandershin. Laufe – google Maps sagt 14 km – vom kleinen Elbhäuschen den Fluss aufwärts. Schlängle mich mit ihm, bis ich in den Eichhörnchengrund abbiege und dort in der Buschwindröschenstille raste. Die Eichhörnchen sind nicht da, aber ich. Während sich die Gedanken in die Zugpolster gekuschelt haben, die Füße auf den dicken Rucksack gelegt, dösen. Patagonien, endlich, jetzt ist es soweit. Heute Abend der Flug – noch nie so lange geflogen, wie wird das – erst bis Barcelona, dann Santiago de Chile – wie das schon klingt – und nach Punta Arenas der Anschlussflug. Zwei Tage wird das dauern, das wird anstrengend, wir müssen dringend schlafen, sagen die Gedanken, aber können gar nicht vor Aufregung.
Die wieder geöffneten Augen sehen grün. Ein linkselbisches Kerbtal, von Mittagssonne geflutet. Der Rucksack neben mir will weiter, will unbedingt weiter. Ach, der Rucksack ist schwer auf einmal. Die ganze Zeit eigentlich schon, aber jetzt, wo er so erwartungsvoll neben mir steht, so voll mit allem, was man braucht, mehrere Tage in der Steppe zu überleben, jetzt schaffe ich kaum, ihn hochzunehmen. Ich weiß nicht, warum das alles mit mir rumtrage. Ob ich überhaupt hier unterwegs sein sollte. Man soll zu Hause bleiben, Kontakt nur zu einer weiteren Person haben. Kein Flug geht mehr, kein Land hat noch offene Grenzen. Meine Tickets mit zehnstelliger Buchungsnummer bringen mich nirgendwohin. Ich wollte ans Ende der Welt, aber das Ende der Welt ist hierhergekommen. Es braucht nur ein winziges Virus und das Ende alles Vorstellbaren ist gekommen. Ein hübsches Virus übrigens; die Grafiker haben dem gelben Körper rote Krönchen aufgesetzt. Corona also. Es sieht nicht aus, als müsste man davor Angst haben. Ich habe nie wieder Angst haben wollen, ich wollte weit weg ganz allein klarkommen. Und das wäre ich, irgendwie. Aber jetzt soll ich Angst haben, jetzt soll ich vernünftig sein, Kontakte und Reisen vermeiden, wir müssen alle die Amplitude einer Kurve flach halten.Die Infizierten, die Toten sollen beherrschbar bleiben. Was um Himmels Willen ist hier los??
Weiter! Ich kann hier nicht bleiben. Nicht, wenn mein Flug in ein paar Stunden geht, nicht, wenn ich alle Schritte der nächsten Tage schon tausendmal gegangen bin. Gehen. Gehen ist Nicht-Bleiben. Das ist das Einzige, was aushaltbar ist jetzt. Es gibt einen Ort, es gibt genau einen Ort, an den ich jetzt möchte. Dort – ja, ich weiß, die Mutter seiner Kinder hat ihm, da Kontakt zu mir – 14 Tage in Quarantäne geschickt und jetzt komm ich, die Quarantäne mit ihm zu teilen, das ist so verboten, wie es schräg ist. Ich darf bleiben, aber auf keinen Fall zu nah. Das ist ok, so wie alles derzeit ok ist, was gar nicht ok ist. Die Nächte sind frostig. Wir haben den Aprikosenbaum in zwei weiße Laken gehüllt; der Scheinwerfer drunter leuchtet nachts Wärme, er leuchtet; eine weiße Fahne, wir haben kapituliert. Die Tage in reinstem Frühlingsblau, ahnungslos. Aus den Lautsprechern die neusten Zahlen, während ich die Katze kraule, während ich Erdbeerpflanzen umsetze. Finde ein Schild mit der Sorte „Korona“. Hämmere, hämmere mit dem alten Klüpfel, mit den alten Beiteln auf wurmstichiges Feuerholz ein, bis es mir sagt, was es eigentlich ist. Ich will dringend wissen, was es eigentlich ist, das alles.
Als er nicht sagte, bleib, ging ich. Ging ich den ganzen Weg zurück, um zu gehen. Unterwegs nach Patagonien. Ein Freund rief an, wir könnten. Könnten biwakieren an einem See, biwakieren ginge immer. Und zwei geht auch. Also ging der Rucksack wieder auf die Reise. Schöne Seen haben sie da in Patagonien. Wie die Kiesgruben bei uns. Sandige Ränder mit Birken. Rohrkolben, denen die Zeit weggeweht ist. Trübes Wasser, kalt. Trockenes Holz mit Birkenrinde und Feuerstahl leuchtet warm in unseren Gesichtern. Erstaunlich windstill in Patagonien.
sibyll maschler: Steine
kreideweiß edel bunt finden sprengen behauen manche mit Schliff zum Karat andere aus Lehm in Form gebrannt zum Bauen von Grund Mauern Wällen Häusern ...kreideweiß edel bunt
finden sprengen behauen
manche mit Schliff zum Karat
andere aus Lehm in Form gebrannt
zum Bauen von Grund Mauern Wällen Häusern
salzige für´s Tier
vergrabene am Grab
Ecksteine zum Stützen Erinnern Glauben
Denkmale Stolpersteine Findlinge
Monolithen im Gras sonnenwarm
Felsen vom Hang stürzend
bemoost algenglitschig
Uferfelsenplatten
kantig in Gruben Brunnen Halt gebend
dem Wasser Fluss Kanal
flache vom Sand überweht große
Kreise ziehend an der Oberfläche
Kiesel geschliffen gerundet bewegte
grummelnd am Grund im Meer
Steine rollen werfen fangen
zum Spielen Schmücken Senken
und der an meinem Hals
bist du
2018