Categotry Archives: Gerhard Jaeger

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Chronik – Gerhard Jaeger: Collage?

Collage? "...Wenn es der Zunft der bildenden Künste gegeben ist, aus unterschiedlichen Materialien, Papier, Gewebe, Fotos und anderen Fundsachen Bilder zu schaffen, so haben wir Schreibenden die Möglichkeit, unsere Fundstücke, Gedankensplitter und Themengewebe in poetische Sprachbilder zu setzen. Sicher ist das schwer miteinander zu vergleichen, aber mir scheint der kreative Ansatz dazu derselben Familie zu entspringen. “… die Dinge reden hör ich so gern… “ heißt es bei R. M. Rilke. Also folgen wir ihm und geben den Dingen einen Raum im Haus der Sprache bis hin zu dem kühnen Versuch von Christian Rempel naturwissenschaftliche Theorie in Gedichte zu transformieren. Totsicher, ein gewagtes Experiment, bei dem nach gültiger Spielregel wenigstens einer der Kontrahenten beschädigt aus dem Rahmen fallen wird. Dennoch, auch daran wird die Verlockung sichtbar, mit Themenmaterialien zu hantieren ..."

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aus dem GeWa 114

: aus verschiedenen Materialien (Papierpoetik, Stimmengewebe, Profilfotos u.a.) zusammengesetztes Sprachbild…

„VORWORT“

derartig vorgestimmt, mit einem Schattenwurf auf das bevorstehende Frühjahrsseminar in der Bücherstatt Wünsdorf, entstand die Textsammlung zum GEWA Nr. 114. Im Seminar werden wir uns auch der Thematik “Collage“ zuwenden…

Selten im Lesekreis zu findende Autoren, wie von Andrea Meng, Maria Goldberg und Michaela Cessari, erheben ihre Stimmen im Gewebe der Poetik und profilieren sich im Heft Seite an Seite mit den langjährigen Mitstreitern. So entstand einmal mehr eine Collage aus Texten. Diese Entdeckung hat uns beim Zusammenstellen überrascht und Freude bereitet. Immer geht es uns darum, Neueres aufzuspüren, andere Handschriften kennen zu lernen, in Stimmungen und Sichtwelten der Autoren zu reisen. Wenn es der Zunft der bildenden Künste gegeben ist, aus unterschiedlichen Materialien, Papier, Gewebe, Fotos und anderen Fundsachen Bilder zu schaffen, so haben wir Schreibenden die Möglichkeit, unsere Fundstücke, Gedankensplitter und Themengewebe in poetische Sprachbilder zu setzen. Sicher ist das schwer miteinander zu vergleichen, aber mir scheint der kreative Ansatz dazu derselben Familie zu entspringen. “… die Dinge reden hör ich so gern… “ heißt es bei R. M. Rilke. Also folgen wir ihm und geben den Dingen einen Raum im Haus der Sprache bis hin zu dem kühnen Versuch von Christian Rempel naturwissenschaftliche Theorie in Gedichte zu transformieren. Totsicher, ein gewagtes Experiment, bei dem nach gültiger Spielregel wenigstens einer der Kontrahenten beschädigt aus dem Rahmen fallen wird. Dennoch, auch daran wird die Verlockung sichtbar, mit Themenmaterialien zu hantieren und sie tragfähig in Schrift zu stellen. Nachdenklicher das Resümee der “Mitvierzigjährigen“ von Annett Goldberg, ihr Material ist das gelebte Leben, die durchlebte Erfahrung. So hat es Franz Fühmann ausgedrückt: “Dichtung ist durchlebte Erfahrung.“ Für uns, auf der Suche nach dem Collagenhaften in der Poetik wird deutlich, wie weit unser Rahmen sich öffnet. Auch die kleinen Formen, Haiku von Marie Goldberg und Lars Steger lassen erkennen, wie sich die Suche und das Sammeln vollziehen. Ist nicht jeder von uns schon mit gesenktem Blick an Ufern und Stränden entlanggelaufen, darauf hoffend, den lang ersehnten Schatz, die Flaschenpost mit der geheimen Botschaft oder die Werkzeugkiste eines Schiffbrüchigen zu finden? Heimgekehrt sind wir mit einem geschliffenen Steinchen, aber eben mit einem, der nun ins Mosaik unseres Lebens gehört. Wohl auch ein Teil gelebter Collage …

Vielen Dank an die Autoren für die Beiträge und viel Spaß beim Erkunden der Texte.

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Gerhard Jaeger: An die Oder

Eisschollenstrom Strom aus Licht aus Weite und Flut über die Nähte der Auen über die Ufer aus damals und heute

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*


Eisschollenstrom

Strom aus Licht
aus Weite und Flut
über die Nähte der Auen
über die Ufer aus
damals und heute

aus Blut und Flucht
über die Wasser
getrieben vom Wahn
her und hin
das Rauschen

einzig überflügelt
vom roten
Milan

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Gerhard Jaeger (Text und Fotos): Die Stadt summt

leise, ach da draußen muss es sein das Zarendorf irgendwo dann die Aurora

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leise, ach da draußen
muss es sein
das Zarendorf

irgendwo
dann die Aurora
und hinter ihr
die Stadt

*

leise, ach da draußen
muss es sein
das Zarendorf

irgendwo
dann die Aurora
und hinter ihr
die Stadt
*

*

mit den zwei Namen
der Autos
Mercedes, Moskowitisch

und Puschkin und
den tapferen Alten die
Hände hinhalten
um um‘s  Rubelchen zu betteln
vor  goldigen Zwiebelchen


so, so
summt die Stadt
so, so
summen die Atheisten
so, so

summen wir
bevor  touristisch
wir schnarchen


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Gerhard Jaeger (Text und Foto): Russisch Brot

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             *

*
Für Pet

High Heels, high
die schönsten Mädchen
sind reich
alle Zähne haben die noch
und die Zahnkränze
tätowierter Maschinisten
auf schweren Motorrädern
die den Newski
rauf und runter schrubben
High-Heels- Angels –

Komm, komm
die Russen wurden fromm

die Miliz schaut keck und
die High-Heels zieh‘n um’s Eck

alles im Lot
Russisch Brot

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Gerhard Jaeger: Regenschleier

trägst sie her vor dir trägst ein Gewölk aus Frische ein Grau überm Grün das Blüten durchschweben diese weißen der Kirschen deren Saft später mir blutet vom Puls, wenn junihaftes Blau vom Abschied kündet

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*
*
trägst sie her vor dir
*
trägst ein Gewölk aus Frische
*
ein Grau überm Grün
*
das Blüten durchschweben
*
diese weißen der Kirschen
*
deren Saft später mir
*
blutet vom Puls,
*
wenn junihaftes Blau
*
vom Abschied kündet
*
und barmherzig
*
Sonne brennt
*
darüber hinweg

 

Gerhard Jaeger: Herausfinden, ob Märchen wohnen im eigenen ICH

(Märchenzeit, eine Rezension zu Texten von Christina Margrets Präsentation in einer poetischen Schachtel) Christina Margret hat eine poetische Schachtel gepackt. Das heißt, sie hat eine Gedichtsammlung auf Kärtchen im Format 6x10cm geschrieben und in eine ebenso große Schachtel gesteckt, beschriftet mit dem Wort MÄRCHENZEIT. Dieses Kästchen habe ich neugierig geöffnet. Da umschwirrten plötzlich, insektengleich drei bange Fragen meine blanke Stirn. Die erste Frage rief: “Will die Autorin mir wieder Märchen aufbinden?“ Die zweite Frage summte: “Märchenhaft, aber warum soll gerade ich den altem Märchen wieder auf den Leim gehen?“ Weil die dritte Frage die Optimistin genannt wurde, landete sie auf meinem Tellerrand. Sie putzte sich, als würde sie sich vergnügt die Hände reiben. Dabei wisperte sie: “Ob es gar eine eigene Sicht der Autorin auf die uns wohlbekannten Märchen gibt?“ Ich öffnete das Fenster und die Fragen eins und zwei schwirrten hinaus. Die Dritte aber, die Optimistin, krabbelte um das Kästchen herum. „Hol endlich ein Kärtchen heraus, mach schon “, summte sie. “Bevor wir lesen will ich wissen wie viele Kärtchen es sind. Schau, fünfzehn plus eins.“ Ich nahm die Pluseinskarte und las. “Märchenzeit“. “Die Motto Karte“, flüsterte die Optimistin. “Lies vor!“ Bat sie. Märchenzeit Ich suche in der Vergangenheit ob ich die Gegenwart find bei Brüder Grimm und Märchenzeit bin ich ein erwachsenes Kind “Ah! Dahin soll es gehen, “ begeisterte sich die Optimistin. “Nun, wenn dieser Text als Motto voransteht, werden die Aussagen zu den einzelnen Märchenkarten vielleicht mit dem Staunen der Kinderaugen daher kommen. Abwarten, doch nehmen wir den Text mal unter die Lupe. Zeilenbrüche scheinen dem Kärtchen Format geschuldet. Sprachliches Geschick läuft der Grammatik und dem Reimzwang hinterher.“ “Drück ein Auge zu, es ist die Fünfzehnpluseinskarte. Lass uns Rotkäppchen lesen, “ hummelte die Optimistin. Rotkäppchen Du warst so falsch wie dein Entgegenkommen, das mich vom Wege abgebracht. Ich hab zu spät erst wahrgenommen, was Lüge aus Gesichtern macht. Die Optimistin blickt mich listig an. “Das ist schön, schwebt höher als der Motto Text. Hier berührt mich der Zauberstab der Poesie. Die Kenntnis des Märchens wird vorausgesetzt. Kein plumpes Nacherzählen, sondern das Bekannte bekommt ein eigenes GESICHT. Rhythmus und Reim marschieren im Vers auf die Pointe zu. Das beflügelt auch mich.“ Die Optimistin fliegt eine Ehrenrunde, schmunzelt. Weiter, weiter… Das nächste Kärtchen ist Dornröschen gewidmet. Es ist ein reimloser Text, prosaisch, aber mit liebenswerter Eigensicht ausgestaltet. Anders Frau Holle, schade, zu sehr nacherzählt. Sterntaler ein wesentlich präziserer Text . “Mich macht Sterntaler fröhlich und Aschenbrödel?“ Ich werfe der Optimistin einen vielsagenden Blick zu. Auch in diesem Vers ist es Christina Margret gelungen eine assoziative Deutungsvariante zum Originaltext zu schaffen. Sie schafft es in der Knappheit von sieben Zeilen Bilder aus Märchenverfilmungen zu wecken. Hänsel und Gretel als Vierzeiler und doch wird der alte Märchentext auf eine andere Lebensstufe gehoben, ein stimmiger Sinnbezug? Die Optimistin pumpt sich auf, denn jetzt könnte es den Insekten an den Kragen gehen. Achtung, das tapfere Schneiderlein hebt die Elle. Ich finde dieser Schneider kommt lustig daher, lass den Schlussreim etwas holpern und den Rhythmus etwas stolpern. “Solche Geschichten sollte man verbieten, “ protestiert die Optimistin. Na, denke ich, auch eine Optimistin wird mal schwach. Schauen wir mal bei Rumpelstilz??? rein. Obwohl beim Nachschlagen im Märchenbuch der grimmschen Sammlung das Rumpelstilzchen noch Rumpelstilzchen heißt. Was also will die Autorin mit der Umbenennung bezwecken? Die Optimistin hüpft wie Rumpelstilz kichernd um den Tellerrand. “Was denn, na was denn verriet ihn, na was, weißt du es noch?“ “Der Wolf und die sieben Geißlein waren es sicher nicht. Diese Bande will woanders hin. Auf ihrer Karte taucht ein ICH-ERZÄHLER(IN) auf.“ Sage ich. “Hat’s längst schon gegeben, beim Rotkäppchen zum Beispiel.“ Stachelt die dritte Frage namens Optimistin. Ich gebe es ihr zurück:“ Das Reimpaar irritiert und verwirrt steht unglücklich im Text rum. Warum reimt Christina Margret nicht auf irritieren –verwirren? “Zähl mal die Silben, Krümelkackerei! Lies Schneewittchen.“ “Ja doch, Schneewittchen steht als Schwester neben Rotkäppchen in der Verssammlung. Auch hier ist die Umsetzung der poetischen Idee zu loben. Den Froschkönig möchte ich gleich als Bruder neben die Schwestern einreihen. Auch über den Rapunzel Vers freue ich mich. Den Rapunzel Ton hat Christina Margret verfremdet und damit in ihre lyrische ICH-DU-Welt geholt, auf andere Weise neu belebt. Größtenteils gelingt ihr das und zeichnet ihre Stärke aus, so auch im Vers zu Brüderchen und Schwesterchen. Auf dem fünfzehnten, also dem letzten Kärtchen der Schachtel Märchenzeit, treffen wir die Prinzessen auf der Erbse. Die Prinzessin auf der Erbse Ich gäbe gern so manches her um das Zufriedensein. Ich habe alles – und noch mehr, jedoch für mich allein. Diesen Text hat Christina Margret im Dichterseminar vorgelesen und Zweifel wurden laut. Einen Deutungsversuch meinerseits tat sie mit der Bemerkung ab:“ Du wirst mir meine Verse erklären.“ Nun, die dritte Zeile ist eine Schlüsselzeile.- Eine Zufriedenheit die mit niemanden zu teilen ist, geht im Schulterschluss mit einer Freude oder dem Leid mit dem man allein dasteht. Und liebe Autorin, weshalb wird das Wort allein im Vers durch Kursivstellung herausgehoben? Die Optimistin grübelt. “Mag die Autorin uns auch hinhalten, einig sind wir uns darin, Christina Margret hat mit der Märchenzeit auf fünfzehn Kärtchen in einer Schachtel eine ansprechende, poetische Idee verwirklicht.“ Man könnte die Kärtchen beliebig mischen, man würde keine Verluste erleiden. Ihre Märchenzeit ist nun die meine. Christina Margrets assoziative Übertragungen gefallen mir. Für eine genauere, handwerkliche Umsetzung in sprachlicher, reimtechnischer und rhythmischer Form wäre ich dankbar. An manchen Stellen könnte man noch feilen. Die dritte Frage, meine optimistische Hummel der Poesie, entfaltet die Flügel. Summend höre ich sie kichern: “Du nun wieder, kannst es wohl nicht lassen.“ Schwupp, schon ist sie zum Fenster hinausgeflogen. Mir aber bleibt die Märchenzeit. Berlin,28.04.2013 Autor: Gerhard Jaeger

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(Märchenzeit, eine Rezension zu Texten von Christina Margrets Präsentation in einer poetischen Schachtel)

Christina Margret hat eine poetische Schachtel gepackt. Das heißt, sie hat eine Gedichtsammlung auf Kärtchen im Format 6x10cm geschrieben und in eine ebenso große Schachtel gesteckt, beschriftet mit dem Wort MÄRCHENZEIT.

Dieses Kästchen habe ich neugierig geöffnet. Da  umschwirrten plötzlich, insektengleich drei bange Fragen meine blanke Stirn. Die erste Frage rief: “Will die Autorin mir wieder Märchen aufbinden?“ Die zweite Frage summte: “Märchenhaft, aber warum soll gerade ich den altem Märchen wieder auf den Leim gehen?“ Weil die dritte Frage die Optimistin genannt wurde, landete sie auf meinem Tellerrand. Sie putzte sich, als würde sie sich vergnügt die Hände reiben. Dabei wisperte sie:  “Ob es gar eine eigene Sicht der Autorin auf die uns wohlbekannten Märchen gibt?“

Ich öffnete das Fenster und die Fragen eins und zwei schwirrten hinaus.
Die Dritte aber, die Optimistin, krabbelte um das Kästchen herum. „Hol endlich ein Kärtchen heraus, mach schon “, summte sie.

“Bevor wir lesen will ich wissen wie viele Kärtchen es sind. Schau,  fünfzehn plus eins.“ Ich nahm die Pluseinskarte und las. “Märchenzeit“.

“Die Motto Karte“,  flüsterte die Optimistin. “Lies vor!“ Bat sie.

Märchenzeit

Ich suche in der

Vergangenheit

ob ich die Gegenwart  find

bei Brüder Grimm und

Märchenzeit

bin ich ein erwachsenes

Kind

“Ah! Dahin soll es gehen, “  begeisterte sich die Optimistin.

“Nun, wenn dieser Text als Motto voransteht, werden die Aussagen zu den einzelnen Märchenkarten vielleicht mit dem Staunen der Kinderaugen daher kommen. Abwarten, doch nehmen wir den Text mal unter die Lupe. Zeilenbrüche scheinen dem Kärtchen Format geschuldet. Sprachliches Geschick läuft der Grammatik und dem Reimzwang hinterher.“

“Drück ein Auge zu, es ist die Fünfzehnpluseinskarte. Lass uns Rotkäppchen lesen, “  hummelte die Optimistin.

Rotkäppchen

Du warst so falsch wie dein

Entgegenkommen,

das mich vom Wege

abgebracht.

Ich hab zu spät erst

 wahrgenommen,

 was Lüge aus Gesichtern

 macht.

Die Optimistin  blickt mich listig an.

“Das ist schön, schwebt  höher als der Motto Text. Hier berührt mich der Zauberstab der Poesie.  Die Kenntnis des Märchens wird vorausgesetzt. Kein plumpes Nacherzählen, sondern das Bekannte bekommt ein eigenes GESICHT. Rhythmus und Reim  marschieren im Vers auf die Pointe zu. Das beflügelt auch mich.“

Die Optimistin fliegt eine Ehrenrunde,  schmunzelt. Weiter, weiter…

Das nächste Kärtchen ist Dornröschen gewidmet. Es ist ein reimloser Text, prosaisch, aber mit  liebenswerter Eigensicht ausgestaltet. Anders Frau Holle, schade, zu sehr nacherzählt. Sterntaler ein wesentlich präziserer Text .

“Mich macht Sterntaler fröhlich und Aschenbrödel?“

Ich werfe der Optimistin einen vielsagenden Blick zu. Auch in diesem Vers ist es Christina Margret gelungen eine assoziative Deutungsvariante zum Originaltext zu schaffen. Sie schafft es in der Knappheit von sieben Zeilen Bilder aus Märchenverfilmungen zu wecken.

Hänsel und Gretel  als Vierzeiler und doch wird der alte Märchentext auf eine andere Lebensstufe gehoben, ein stimmiger Sinnbezug?

Die Optimistin pumpt sich auf, denn jetzt könnte es den Insekten an den Kragen gehen. Achtung, das tapfere Schneiderlein hebt die Elle. Ich finde dieser Schneider kommt lustig daher, lass den Schlussreim etwas holpern und den Rhythmus etwas stolpern.

“Solche Geschichten sollte man verbieten, “ protestiert die Optimistin. Na, denke ich, auch eine Optimistin wird mal schwach. Schauen wir mal bei Rumpelstilz???  rein. Obwohl beim Nachschlagen im Märchenbuch der grimmschen Sammlung das Rumpelstilzchen noch Rumpelstilzchen heißt. Was also will die Autorin mit der Umbenennung bezwecken?

Die Optimistin hüpft wie Rumpelstilz kichernd um den Tellerrand. “Was denn, na was denn verriet ihn, na was, weißt du es noch?“

Der Wolf und die sieben Geißlein waren es sicher nicht. Diese Bande will woanders hin. Auf ihrer Karte taucht ein ICH-ERZÄHLER(IN) auf.“ Sage ich.

“Hat’s längst schon gegeben, beim Rotkäppchen zum Beispiel.“ Stachelt die dritte Frage namens Optimistin.

Ich gebe es ihr zurück:“ Das Reimpaar irritiert und verwirrt steht unglücklich im Text rum. Warum reimt Christina Margret nicht auf irritieren –verwirren?

“Zähl mal die Silben, Krümelkackerei! Lies Schneewittchen.“

“Ja doch, Schneewittchen steht als Schwester neben Rotkäppchen in der Verssammlung. Auch hier ist die Umsetzung der poetischen Idee zu loben. Den Froschkönig möchte ich gleich als Bruder neben die Schwestern einreihen. Auch über den Rapunzel Vers freue ich mich. Den Rapunzel Ton hat Christina Margret verfremdet und damit in ihre lyrische ICH-DU-Welt geholt, auf andere Weise neu belebt. Größtenteils gelingt ihr das und zeichnet ihre Stärke aus, so auch im Vers zu Brüderchen und Schwesterchen.

Auf dem fünfzehnten, also dem letzten Kärtchen der Schachtel Märchenzeit, treffen wir die Prinzessen auf der Erbse.

Die Prinzessin auf der Erbse

Ich gäbe gern so manches

her

um das Zufriedensein.

Ich habe alles – und noch

mehr,

jedoch für mich allein.

Diesen Text hat Christina Margret im Dichterseminar vorgelesen und Zweifel wurden laut. Einen Deutungsversuch meinerseits tat sie mit der Bemerkung ab:“ Du wirst mir meine Verse erklären.“

Nun, die dritte Zeile ist eine Schlüsselzeile.- Eine Zufriedenheit die mit niemanden zu teilen ist, geht im Schulterschluss mit einer Freude oder dem Leid mit dem man allein dasteht. Und liebe Autorin, weshalb wird das Wort allein im Vers durch Kursivstellung herausgehoben?

Die Optimistin grübelt. “Mag die Autorin uns auch hinhalten, einig sind wir uns darin, Christina Margret hat mit der Märchenzeit auf fünfzehn Kärtchen in einer Schachtel eine ansprechende, poetische Idee verwirklicht.“

Man könnte die Kärtchen beliebig mischen, man würde keine Verluste erleiden. Ihre Märchenzeit ist nun die meine. Christina Margrets assoziative Übertragungen gefallen mir. Für eine genauere, handwerkliche Umsetzung in sprachlicher, reimtechnischer und rhythmischer Form wäre ich dankbar. An manchen Stellen könnte man noch feilen.

Die dritte Frage, meine optimistische Hummel der Poesie, entfaltet die Flügel. Summend höre ich sie kichern: “Du nun wieder, kannst es wohl nicht lassen.“ Schwupp, schon ist sie zum Fenster hinausgeflogen. Mir aber bleibt die Märchenzeit.

Berlin,28.04.2013

Gerhard Jaeger: „Ein paar Worte zur Erzählzeit“ aus einem Schriftwechsel

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*…”Obwohl, die Sache mit der Erzählzeit ist relativ simpel. In Prosa: Du schreibst auf einer Seite eine Episode, deren Handlung sich über einen Zeitraum von 10 Jahren erstreckt. Das ist high Speed! Will sagen, wenn der Erzählzeitraum 1,5 Jahre betragen würde und Du eine Geschichte schreibst, die 8 Seiten umfasst, dann ist es ja logisch, die nachgestellten Szenen werden langsamer erzählt. Vielleicht wird auf 3 Seiten ein fünfminütiges SICH IN DIE AUGEN SCHAUEN beschrieben, dann lässt der Erzähler sich Zeit. Das Tempo wird gedrosselt. Die Bedeutung der Szene wird durch ­ihre Umfänglichkeit gesteigert. Das Tempo in der Erzählung erfährt einen Wechsel – gutes Stilmittel. Im Gedicht kannst Du mit einem Zeilenbruch Ähnliches forcieren­.”

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Gerhard Jaeger mit dem Gedicht: Wegweiser und dem Bild: Kanal mit Zirkus

geh immer schau in die schwarzen Spiegel der Wasser schau in den leuchtenden Himmel beide gehen geh immer mit den Schatten, die wachsen mit dem Laub, das schwindet weiter

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*

*
*

Wegweiser

geh immer
schau in die schwarzen Spiegel der Wasser
schau in den leuchtenden Himmel
beide gehen

geh immer
mit den Schatten, die wachsen
mit dem Laub, das schwindet
weiter

immer weiter
bis in den Punkt, in dem Himmel und Wasser
bis dahin , du ahnst es und gehst
weiter, immer weiter

immer zu
in eine Richtung,
in der Abschied und Begegnung zusammentreffen

bis dahin geh
und sing und lach
immer näher

immer näher
gestern zogen die Vögel
gestern kehrten sie heim

einen wirst du treffen
der dich nimmt für immer
ihn verpaßt du
nicht

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Gerhard Jaeger: Ich sah das Land zu Bette gehen (Liedtext)

Ich sah das Land zu Bette gehen Wälder legten ein Nachtkleid an Felder krochen in Nebeldecken

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*
*
Ich sah

das Land
zu Bette gehen
Wälder
legten
ein Nachtkleid an

Felder
krochen
in Nebeldecken

Allerlei Getier,
allerlei Getier
blinzelte stadtwärts
Allerlei Getier, allerlei Getier
spitzte die Ohren

Katzen
umschlichen
Häuser
Augen
durchstachen
Rauch,

weil der ja gerade so aufstieg
lautlos sternenwärts
weil der ja gerade so aufstieg
lautlos sternenwärts

und weil
Laternen ansprangen
und hinter Fenster
kam Licht
konnte ich etwas sehen
ja, das wusch sich rein
konnte ich etwas sehen
ja, das wusch sich rein

und hatte soviel Ruhe,
als der
Nachtzug
vorüber fuhr
es hatte soviel Ruhe
als der
Nachtzug
vorüber fuhr

Text und Musik: Gerhard Jaeger         a-moll

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