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Erstaunlich – alle hatten bei unserem Herbstseminar an die Hausaufgaben
gedacht und einige Lieblingstexte mitgebracht. Eine kleine Sensation:
fast alle hatten Rilke im Gepäck. Ich auch. Und zwar die 9. Elegie
natürlich nur ausschnittsweise. Folgende Zeilen liebe ich sehr:
Aber weil Hiersein viel ist und weil uns scheinbar alles das Hiesige
braucht, dieses Schwindende, das seltsam uns angeht. Uns, die
Schwindendsten. Einmal
jedes, nur einmal. Einmal und nicht mehr. Und wir auch
einmal. Nie wieder. Aber dieses
einmal gewesen zu sein, wenn auch nur einmal:
irdisch gewesen zu sein, scheint nicht widerrufbar.

Warum gerade dieser Vers mich so nachhaltig anspricht?
Ein seltsames Gefühl erfüllt mich jedes mal beim Lesen:
schon allein das nackte Hiersein erweist sich als etwas
Kostbares, unbedingt zu Bewahrendes.
Einmal nur sind wir hier. Das wird sich nicht wiederholen.
Nicht in der Zeit .
Und nicht in unserer Ausprägung.
Einmalig ist jeder – einzig als unverwechselbarer Einmaliger.

Hiersein und Einmaligkeit jedoch teilen wir mit anderen Schwindenden.
Warum aber sind wir unter ihnen die Schwindendsten?

Irgendwann werden wir mit unserer Einzigartigkeit schwinden.
Wie alle Schwindenden.
Nur wir jedoch wissen lange davor von diesem Schwinden, das
seltsam uns angeht.
So als die Wissenden sind wir die Schwindendsten unter den Schwindenden.
Das scheint nicht widerrufbar.