Am Grab stand ein kleiner Junge. Er hatte fünf Taler in der Hosentasche und war traurig. Seine Mutter lag im Sarg. Da beschloss er, den Tod zu suchen, um ein Leben zu kaufen. Er wollte es seiner Mutter schenken. 

Als die Sonne im Westen langsam unterging, bat er sie: "Sonne, bitte, liebe Sonne, bitte geh' jetzt nicht unter. Fünf Taler gebe ich dir dafür." Die Sonne antwortete: "Ich brauche dein Geld nicht. Ich bin nicht käuflich." Also lief der Junge weiter. Es wurde Nacht und der Mond erschien am Himmel. "Lieber Mond, bitte scheine heller, damit ich den Weg finde. Ich habe fünf Taler. Die würde ich dir geben." "Dein Geld brauche ich nicht." Die ganze Nacht lief der Junge in Richtung Westen. 

Erst im Morgengrauen wurde er müde, aber er wollte nicht schlafen. Er musste doch ein Leben kaufen! Verzweifelt rief er dem Morgengrauen zu: "Liebes Morgengrauen, ich bin müde, möchte schlafen und ausruhen, doch beides kann ich nicht. Verkauf mir etwas Hoffnung. Die brauche ich und Glück und Mut und Geduld, Kraft, Spürsinn und Durchhaltevermögen. Ich muss ein Leben kaufen, weißt du, wo ich das kaufen kann?“ "Lieber, kleiner Mann, manche Dinge kann man nicht kaufen. Egal, wen du fragst. Müdigkeit und Träume, Angst und Mut - diese Sachen werden zum richtigen Zeitpunkt erscheinen. Kaufen wirst du sie nicht." 

Langsam ging der Junge weiter in Richtung Tag. Dabei wurde er hungrig und durstig. Auch Durst und Hunger kann man nicht kaufen, dachte er, doch auf diese Gefühle wollte er gerne verzichten. Am Wegrand entdeckte er einen Strauch mit Beeren. Sofort naschte er davon. Was für ein schönes Herbstwetter! Schade das ich niemand kenne, der solch schönes Herbstwetter für Jahnishausen verkauft, flüsterte er beim Weiterwandern. 

Er kam an einen Fluss. Dort sah er einen alten Mann fischen. In seinem Eimer schwammen einige Fische. Der Junge überlegte. Dann sprach er den Mann an. "Ich möchte gerne das Leben eines ihrer Fische abkaufen und es meiner Mutter schenken, damit sie wieder lebendig wird." Der Mann legte dem Jungen die Hand auf die Schulter und sagte: "Leben kann man nicht kaufen und der Tod gibt es nicht zurück. Leben ist unbezahlbar."

Manuela Kartheus, Gedankenwasser Nr. 150