Monthly Archives: September 2013

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Liane Fehler: Mein

Mein Mein Mond, mein Tag wird nicht geboren meine Welt ist ganz anders nicht ein Tropfen passt mehr hinein meine Ozeane sind ganz anders Ich schluchze wie die Nachtigall an jeder Rose sind Dornen meine Liebe ist Regen, meine Liebe ist Wind

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rose-sonnenuntergang-k http://quarknet.de/foto-rosen.php

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*Foto: quarknet.rose-sonnenuntergang 

Mein Mond, mein Tag wird nicht geboren
meine Welt ist ganz anders
nicht ein Tropfen passt mehr hinein
meine Ozeane sind ganz anders
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Ich schluchze wie die Nachtigall
an jeder Rose sind Dornen
meine Liebe ist Regen, meine Liebe ist Wind
meine Überreste sind ganz anders
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Ich bin Sarica* verkaufe Worte
bin einverstanden vertreibe die Sorgen
die traurige Nachtigall decke ich zu
mein Wehklagen ist ganz anders

Nachdichtung und Übersetzung aus dem Türkischen
* Sarica ist der Vorname der türkischen Autorin

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Gerhard Jäger: Später September

brandige Abende feucht das Fell Schmeichelkater neblige Erwartungen Gardinen um meine Stirn Apfelaroma huscht vorbei rotbackig Kleider des Sommers im Spätsein September Licht geht und kommt will Schatten werfen ein Augenzwinkern bevor Sonne ertrinkt in einem Glühen brennend als wäre es mein

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brandige Abende
feucht das Fell
Schmeichelkater
neblige Erwartungen
Gardinen um meine Stirn
Apfelaroma huscht vorbei
rotbackig
Kleider des Sommers
im Spätsein September
Licht geht und kommt
will Schatten werfen
ein Augenzwinkern
bevor Sonne ertrinkt
in einem Glühen
brennend
als wäre es
mein

 

 

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Liane Fehler: Tattoo

Deine Worte unter meiner Haut Kalligrafie wie ein Tattoo am Morgen staunen lächeln im Spiegel … Du? Lubmin April 2012

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Deine Worte

unter meiner Haut

 Kalligrafie

 wie ein Tattoo

am Morgen

 staunen

 lächeln

 im Spiegel

 … Du

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Frank Siegert: Hunger

Der Zug, eine Rauchfahne hinterlassend, entfernte sich. Es war niemand außer mir ausgestiegen. Der Bahnhof, kleine gedrungene Bauten, war menschenleer. Der späte Nachmittag verlockte mit seinem trüben Himmel keinen Menschen zum Ausgehen. Da mich niemand erwarten konnte, nahm ich meinen Koffer und ging in das Dorf. ...

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Der Zug, eine Rauchfahne hinterlassend, entfernte sich. Es war niemand außer mir ausgestiegen. Der Bahnhof, kleine gedrungene Bauten, war menschenleer. Der späte Nachmittag verlockte mit seinem trüben Himmel keinen Menschen zum Ausgehen. Da mich niemand erwarten konnte, nahm ich meinen Koffer und ging in das Dorf.

Die schlichten Häuser hatten rote Dächer. Die Allee durchzog ein scharfer Wind. Er vermochte nicht, die schmutzigen Schneehaufen verschwinden zu lassen.

Das Gelände war mit einem schmiedeeisernen Zaun eingefasst. Der Pförtner saß in seinem Haus und bemerkte mich nicht. Die großen Backsteingebäude strahlten den Charme vergangener Zeiten aus.

Die Tür ließ sich schwer öffnen. Es wehte mir ein Schwall abgestandener Luft entgegen.

In den weiß gefliesten Fluren saßen Alte in Rollstühlen. Sie starrten vor sich hin. Ich hörte undeutlich artikulierte Laute und Stöhnen. An Krückstöcken bewegten sich Männer langsam vorwärts. Schwestern mit weißen Hauben gingen lautlos vorbei.

Ich fand einen Saal. Die Türen zu den Gängen waren offen. Die Eichen waren durch die großen Bogenfenster zu sehen.

In der Mitte des Raumes stand ein Klavier. Den Koffer absetzend und den Mantel ablegend nahm ich auf dem Hocker Platz.

Ich klappte den Deckel auf und spielte die ersten Takte eines Stückes von Chopin. Die Melodien strömten aus den Türen in die Zimmer.

Erst kam ein Mann im Schlafanzug mit erstauntem Blick zaghaft in den Saal. Dann erschienen Patienten mit Rollstühlen. Sie bildeten einen Kreis um das Klavier.

Die Gesichter sogen die Töne in sich ein. Einige lächelten verklärt. Es zeigten sich immer mehr Leute.

Nach dem Vortrag herrschte eine Stille, in der plötzlich die Sonne durch die Bogenfenster strahlte.

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Gerhard Jaeger: Teller auf den Tisch – aus der Anthologie unDichternebel: 2001 – 2015 –

Teller auf den Tisch (Tregastel Sommer 2013 sie kocht nie das was ich essen will Zicke) ruft der Alte sie zuckt nicht nur die Möwe schreit der Magen gluckst das Meer gluckst und geht wie sein Atem Wasser nimmt es und spuckt es aus ruft der Alte gleich geht die Sonne unter Kiesel rollen hart wie rohe Kartoffeln Wolken schwimmen wie Eierschaum zart der Himmel färbt sich hummerrot leer Teller auf dem Tisch versalzen die See, der Kiesel, das Sein es ist traurig, es ist fies es gibt Gries

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(Tregastel Sommer 2013 sie kocht nie das was ich essen will Zicke)

ruft der Alte
sie zuckt nicht
nur die Möwe schreit
der Magen gluckst
das Meer gluckst
und geht wie sein Atem
Wasser nimmt es und
spuckt es
aus
ruft der Alte
gleich geht die Sonne unter

Kiesel rollen
hart wie rohe Kartoffeln
Wolken schwimmen
wie  Eierschaum zart
der Himmel färbt sich hummerrot
leer Teller auf dem Tisch
versalzen die See, der Kiesel, das Sein
es ist traurig, es ist fies
es gibt Gries

Das Gedicht wurde veröffentlicht in der Jubiläumsanthologie: “unDichterNebel” 2001 – 2015
(ISBN  978-3-941394-40-7 / Osiris Druck Lpz.)

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