Tag Archives: Prosa – Schreibhandwerk

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Desdemona: Was würde ich schreiben, wenn ich 80 wäre?

Nun ist es also soweit: es geht nicht mehr ohne diesen idiotischen Rollator! Wie ich dieses Ding hasse. Sperrig, unförmig, demütigend. Wie lange mag ein normaler Mensch brauchen, um sich an ein solches Ungetüm zu gewöhnen? Eigentlich will ich das auch gar nicht - " daran gewöhnen" ! Nie im Leben!!! Wie die Leute auf der Strasse gucken, wie sie solche armen Kreaturen wie mich bemitleiden, wie sie "rücksichtsvoll" einen großen Bogen um mich machen und mir doch mit jeder ihrer Gesten zu verstehen geben, dass ich nicht mehr zu ihnen gehöre - zur Mehrheit der Rollator- losen. Da hilft nur eins : Eine neue Mehrheit organisieren!

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Nun ist es also soweit: es geht nicht mehr ohne diesen idiotischen Rollator! Wie ich dieses Ding hasse. Sperrig, unförmig, demütigend. Wie lange mag ein normaler Mensch brauchen, um sich an ein solches Ungetüm zu gewöhnen? Eigentlich  will ich das auch gar nicht  – “ daran gewöhnen“ ! Nie im Leben!!!
Wie die Leute auf der Strasse gucken, wie sie solche armen Kreaturen wie mich bemitleiden, wie sie „rücksichtsvoll“ einen großen Bogen um mich machen  und mir doch mit jeder ihrer Gesten zu verstehen geben, dass ich nicht mehr zu ihnen gehöre – zur Mehrheit der Rollator- losen. Da hilft nur eins : Eine neue Mehrheit organisieren!

Leute aus der Nachbarschaft mobilisieren, nur noch gemeinsam und demonstrativ Rollator – Trupps zum Einkaufen zu bilden. Ganze Formationen müssen es sein. Schließlich sind wir auch wer! Aber vielleicht bleibe ich doch lieber Einzelkämpfer? Bin ja ohnehin schon 80 Jahre lang ein Individualist.

Ich werde meinen Rollator umgestalten, z. B. verhängen. So wie Christo und Jeanne-Claude den Reichstag – nur im Kleinformat. Da kann doch schließlich niemand etwas dagegen haben. Ich könnte ihn auch mit Blumen schmücken: alle Leute würden sich freuen  und  „ach“ oder „och“ oder so sagen.  So  komme ich ins Gespräch. Vielleicht werde ich sogar als Rollator- Aktivistin zum Bürgermeister eingeladen? Und was, wenn ich so etwas wie politische Losungen an meinen Rollator hefte, z.B. “ Rollatorwege in die Bahnhofstraße !!!“

Ich kann auch gegen Fluglärm protestieren, der nach neuesten Meldungen auch den Norden KWs betreffen wird.  Mein Rollator macht ja zum Glück keinen Krach! Das bringt mich auf die Idee, das Gerät akustisch aufzuwerten.  Mit CDs ausgestattet werde ich das soziale Umfeld im Kiez erfreuen. Und ich reiche diese Neuerung auch noch als Patent ein. Aber vielleicht funktioniert keine meiner Ideen? Dann bleibe ich zu Hause und bewege mich ab jetzt nur noch im  Second life.

Desdemona ( zum Glück noch nicht 80)

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Lars Steger: Wörter bezeichnen Weg und Ziel

also ist es schon ein Unterschied, ob ich meiner Freundin eine Bergbesteigung, Wanderung oder einen Spaziergang vorschlage. Und wir sollten uns einig sein, was wir unter dem jeweiligen verstehen. Sonst ist Ärger vorprogrammiert. Auch für mich allein: Denn wenn ich mir vorher klarmache, was es werden soll, wähle ich danach allein schon Verpflegung und Schuhwerk. Deshalb machen „Schubkästen“ manchmal Sinn. Schon mehrfach hatten wir uns solche Schubkästchen in Seminaren vorgenommen – Sonnet, Haiku & Tanka, Adaptionen - mit mehr oder weniger produktivem Erfolg … nun trug Hagen Ludwig von „Nottekunst“ eine neue Aufgabenstellung an uns heran: Im Februar werden sich im Atelier in Wünsdorf-Bücherstadt bildende Künstler zu einem einwöchigen Workshop zum Thema „Collagen“ treffen. Die Ergebnisse sollen dort ausgestellt werden – zur Vernissage oder Finissage wünscht er sich eine Lesung mit Collagen-Texten von uns und vielleicht auch Musik-Collagen. Die Grenzen zur Montage sieht er als fließend an. Am produktivsten für die Diskussion, was literarische Collage bzw. Montage ist, erschienen mir die Definitionen aus dem „Schülerduden Die Literatur“. Collage wird hier erklärt mit: „[[…] französisch „das Leimen, das Ankleben"]: aus der bildenden Kunst in den Bereich der modernen Literatur übertragene Bezeichnung 1. für die Technik der zitierenden Kombination von meist nicht zusammengehörigem vorgefertigtem sprachlichem Material; 2. für die derart entstandenen literarischen Produkte. Zunächst wurde die Bezeichnung Collage meist gleichbedeutend mit der bis dahin üblichen Bezeichnung f. Montage gebraucht. Ende der 60er Jahre setzte sie sich, v. a. für größere literarische Formen, immer mehr durch. Unter dem Einfluss kubistischer Bildcollagen entstanden die ersten literarischen Collagen im Futurismus, Dadaismus und Surrealismus. Die Collage ist oft Teilelement im modernen Roman, z. B. bei J. Joyce („Ulysses", 1922, deutsch „Ulysses", 1927) und A. Döblin („Berlin Alexanderplatz", 1929).“ [Schülerduden Die Literatur. Dudenverlag. Mannheim / Wien / Zürich 1989. 2. überarb. Aufl., S. 92; Hervorhebung d.A:] Noch interessanter finde ich die Erläuterung der Montage: “[[…] französisch, von monier „hinaufbringen, aufstellen" (eigentlich „aufwärtssteigen")]: in der Filmtechnik Bezeichnung für die Verbindung zweier oder mehrerer Einstellungen durch einen Schnitt oder eine Blende. Durch die Montage bekommt jede Einstellung erst ihre eigene Bedeutung im Gesamtzusammenhang der filmischen Aussage, wenn z. B. bei S. M. Eisenstein die Montage bewusst als Ausdrucksmittel eingesetzt wird: Durch die Kollision von Bildern aus unterschiedlichen Wirklichkeitsbereichen (Tötung aufständischer Arbeiter - Schlachtung eines Ochsen im Film „Streik", 1925) wird der Zuschauer schockartig zu der vom Regisseur beabsichtigten Deutung des Geschehens geführt. Dagegen wird besonders in Unterhaltungsfilmen der sogenannte „unsichtbare Schnitt", d. h. der möglichst unauffällige Übergang von einer Einstellung zur anderen, bevorzugt, damit der Fluss der Erzählung nicht durch reflexionsauslösende Bildkombinationen gestört wird. Der Begriff „Montage", aus der Filmtechnik übertragen auf die Literatur, bezeichnet die bewusste Zusammenfügung von sprachlich, stilistisch und auch inhaltlich unterschiedlichen Textteilen. Die Funktionen der Montage sind vielfältig: die Spannbreite reicht von der Erzielung vordergründiger Überraschungseffekte über die ästhetische Provokation (z. B. im Dadaismus) bis zum Versuch in Romanen, die verschiedenen Bereiche und Ebenen der Wirklichkeit unter sich durchsichtig und durchlässig zu machen. Die Montagetechnik findet sich in allen Gattungen der modernen Literatur, in der Lyrik (G. Benn, H. M. Enzensberger), in der Erzählprosa (A. Döblin, „Berlin Alexanderplatz", Roman, 1929), im Drama (P. Weiss, „Die Verfolgung und Ermordung Jean Paul Marats ...", 1964) und im Hörspiel. Bis Mitte der 60er Jahre wurden Montage und Collage etwa synonym verwendet, seither setzte sich zunehmend die Bezeichnung Collage durch.“ [ebenda S. 286f.] Mir scheint der heutige Gebrauch von Collage und Montage mit der aus der Filmgeschichte bekannten Spannbreite des letzteren Begriffs ganz gut abgesteckt. Die Betonung von Bildkollisionen und unterschiedlichem Wirklichkeitsmaterial (wie im Futurismus, Dadaismus und Surrealismus) würde ich heute in jeder anderen als der Filmform eher als Collage bezeichnen. In der Montage dagegen scheint mir die Einheit des Gesamten, der unauffällige Übergang der Einzelteile stärker. Nichtsdestotrotz bleiben fließende Übergänge, die aber schon interessant sind, wenn es um die Wirkungsstrategie des Werkes geht. Beide Begriffe lösen für mich auch z.gr.T. unseren Streit um die Adaption. Viele der unter dieser Aufschrift verpackten Texte können nämlich sehr wohl als Montage oder Collage gelten. Es werden fremde Text-Materialen für ein eigenes Ganzes genutzt – mit, gegen oder zumindest abweichend von Intentionen des Ausgangsmaterials. Eine Gattungsänderung ist hier nicht nötig. Die Beschneidung, Erweiterung, Neuordnung, Umdeutung des Materials dagegen geradezu Konzept. Exkurs I: Wenn dabei der Anspruch besteht einen Dialog mit dem Ursprungsmaterial einzugehen, dieser also in gewisser Weise Thema des Textes ist, scheint es mit nur umso wichtiger, dass dessen Material, soweit es im Text selbst sichtbar ist, als Vorlage erkennbar wird. Exkurs II: Lange habe ich allerdings mit dem Beispiel Georg Büchner gerungen: Der hat seine Vorlagen auch nicht kenntlich gemacht, scheinbar schamlos abgeschrieben - beim „Lenz“ und „Dantons Tod“, bis mir aufging: Das sind nun wirklich Adaptionen – aus (Wissenschaftlichem) Tagebuch bzw. Rede-Protokollen wird literarische Fiktion. Betrachtet man sich unter diesem Blick die letzten GeWa und die Angebote im Sommer-Seminar, finden sich bereits einige Beispiele für Collage bzw. Montage. Christians Texte bieten da sehr verschiedene Umgangsweisen mit den Original-Texten: Zur Essenz verknappend, Gegenentwürfe anbietend, den eigenen Text aus (mehr oder weniger vielen) Motiven entwickelnd. Lianes Vorworte fallen mir ein. Collage pur. Aber es muss auch nicht immer zitiert werden: Mein „Stillleben“ im GeWa 112 würde ich ebenfalls als Collage ansehen. Weil hier verschiedene Wirklichkeitsbereiche gegeneinander gesetzt werden. Das soll dem Leser sehr wohl bewusst werden. Fremdmaterial ist für beide Begriffe nicht Grundvoraussetzung. Eisensteins Bilder entstanden ja auch alle unter seiner Regie für den jeweiligen Film. In diesem Sinne sind viele unserer Texte Collagen, zumindest aber Montagen. Vielleicht kramt ihr mal unter diesem Gesichtspunkt in euren Mappen oder lasst euch anregen, einen solchen Text zu schreiben. Oder vielleicht entsteht einer direkt zu entsprechenden Bildern? Vielleicht schaffen wir sogar gemeinsam einen Werkstattbesuch? Ein Besuch in der Bunker-Bücher-Waldstadt, im Atelier „Nottekunst“ bei Hagen und Sylvi und in der umliegenden Ex- Militär-Brach-Landschaft lohnt sich allemal.

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also ist es schon ein Unterschied, ob ich meiner Freundin eine Bergbesteigung, Wanderung oder einen Spaziergang vorschlage. Und wir sollten uns einig sein, was wir unter dem jeweiligen verstehen. Sonst ist Ärger vorprogrammiert. Auch für mich allein: Denn wenn ich mir vorher klarmache, was es werden soll, wähle ich danach allein schon Verpflegung und Schuhwerk. Deshalb machen „Schubkästen“ manchmal Sinn.

Schon mehrfach hatten wir uns solche Schubkästchen in Seminaren vorgenommen – Sonnet, Haiku & Tanka, Adaptionen – mit mehr oder weniger produktivem Erfolg … nun trug Hagen Ludwig von „Nottekunst“ eine neue Aufgabenstellung an uns heran: Im Februar werden sich im Atelier in Wünsdorf-Bücherstadt bildende Künstler zu einem einwöchigen Workshop zum Thema „Collagen“  treffen. Die Ergebnisse sollen dort ausgestellt werden – zur Vernissage oder Finissage wünscht er sich  eine Lesung mit Collagen-Texten von uns und vielleicht auch Musik-Collagen. Die Grenzen zur Montage sieht er als fließend an.

Am produktivsten für die Diskussion, was literarische Collage bzw. Montage ist, erschienen mir die Definitionen aus dem „Schülerduden Die Literatur“. Collage wird hier erklärt mit: „[[…] französisch „das Leimen, das Ankleben“]: aus der bildenden Kunst in den Bereich der modernen Literatur übertragene Bezeichnung 1. für die Technik der zitierenden Kombination von meist nicht zusammengehörigem vorgefertigtem sprachlichem Material; 2. für die derart entstandenen literarischen Produkte. Zunächst wurde die Bezeichnung Collage meist gleichbedeutend mit der bis dahin üblichen Bezeichnung f. Montage gebraucht. Ende der 60er Jahre setzte sie sich, v. a. für größere literarische Formen, immer mehr durch. Unter dem Einfluss kubistischer Bildcollagen entstanden die ersten literarischen Collagen im Futurismus, Dadaismus und Surrealismus. Die Collage ist oft Teilelement im modernen Roman, z. B. bei J. Joyce („Ulysses“, 1922, deutsch „Ulysses“, 1927) und A. Döblin („Berlin Alexanderplatz“, 1929).“ [Schülerduden Die Literatur. Dudenverlag. Mannheim / Wien / Zürich 1989. 2. überarb. Aufl., S. 92; Hervorhebung d.A:]

Noch interessanter finde ich die Erläuterung der Montage: “[[…] französisch, von monier „hinaufbringen, aufstellen“ (eigentlich „aufwärtssteigen“)]: in der Filmtechnik Bezeichnung für die Verbindung zweier oder mehrerer Einstellungen durch einen Schnitt oder eine Blende. Durch die Montage bekommt jede Einstellung erst ihre eigene Bedeutung im Gesamtzusammenhang der filmischen Aussage, wenn z. B. bei S. M. Eisenstein die Montage bewusst als Ausdrucksmittel eingesetzt wird: Durch die Kollision von Bildern aus unterschiedlichen Wirklichkeitsbereichen (Tötung aufständischer Arbeiter – Schlachtung eines Ochsen im Film „Streik“, 1925) wird der Zuschauer schockartig zu der vom Regisseur beabsichtigten Deutung des Geschehens geführt. Dagegen wird besonders in Unterhaltungsfilmen der sogenannte „unsichtbare Schnitt„, d. h. der möglichst unauffällige Übergang von einer Einstellung zur anderen, bevorzugt, damit der Fluss der Erzählung nicht durch reflexionsauslösende Bildkombinationen gestört wird. Der Begriff „Montage“, aus der Filmtechnik übertragen auf die Literatur, bezeichnet die bewusste Zusammenfügung von sprachlich, stilistisch und auch inhaltlich unterschiedlichen Textteilen. Die Funktionen der Montage sind vielfältig: die Spannbreite reicht von der Erzielung vordergründiger Überraschungseffekte über die ästhetische Provokation (z. B. im Dadaismus) bis zum Versuch in Romanen, die verschiedenen Bereiche und Ebenen der Wirklichkeit unter sich durchsichtig und durchlässig zu machen. Die Montagetechnik findet sich in allen Gattungen der modernen Literatur, in der Lyrik (G. Benn, H. M. Enzensberger), in der Erzählprosa (A. Döblin, „Berlin Alexanderplatz“, Roman, 1929), im Drama (P. Weiss, „Die Verfolgung und Ermordung Jean Paul Marats …“, 1964) und im Hörspiel. Bis Mitte der 60er Jahre wurden Montage und Collage etwa synonym verwendet, seither setzte sich zunehmend die Bezeichnung Collage durch.“ [ebenda S. 286f.]

Mir scheint der heutige Gebrauch von Collage und Montage mit der aus der Filmgeschichte bekannten Spannbreite des letzteren Begriffs ganz gut abgesteckt. Die Betonung von  Bildkollisionen und unterschiedlichem Wirklichkeitsmaterial (wie im Futurismus, Dadaismus und Surrealismus) würde ich heute in jeder anderen als der Filmform eher als Collage bezeichnen. In der Montage dagegen scheint mir die Einheit des Gesamten, der unauffällige Übergang der Einzelteile stärker. Nichtsdestotrotz bleiben fließende Übergänge, die aber schon interessant sind, wenn es um die Wirkungsstrategie des Werkes geht.

Beide Begriffe lösen für mich auch z.gr.T. unseren Streit um die Adaption. Viele der unter dieser Aufschrift verpackten Texte können nämlich sehr wohl als Montage oder Collage gelten. Es werden fremde Text-Materialen für ein eigenes Ganzes genutzt – mit, gegen oder zumindest abweichend von Intentionen des Ausgangsmaterials. Eine Gattungsänderung ist hier nicht nötig. Die Beschneidung, Erweiterung, Neuordnung, Umdeutung des Materials dagegen geradezu Konzept.

Exkurs I: Wenn dabei der Anspruch besteht einen Dialog mit dem Ursprungsmaterial einzugehen, dieser also in gewisser Weise Thema des Textes ist, scheint es mit nur umso wichtiger, dass dessen Material, soweit es im Text selbst sichtbar ist, als Vorlage erkennbar wird.

Exkurs II: Lange habe ich allerdings mit dem Beispiel Georg Büchner gerungen: Der hat seine Vorlagen auch nicht kenntlich gemacht, scheinbar schamlos abgeschrieben – beim „Lenz“ und „Dantons Tod“, bis mir aufging: Das sind nun wirklich Adaptionen – aus (Wissenschaftlichem) Tagebuch bzw. Rede-Protokollen wird literarische Fiktion.

Betrachtet man sich unter diesem Blick die letzten GeWa und die Angebote im Sommer-Seminar, finden sich bereits einige Beispiele für Collage bzw. Montage. Christians Texte bieten da sehr verschiedene Umgangsweisen mit den Original-Texten: Zur Essenz verknappend, Gegenentwürfe anbietend, den eigenen Text aus (mehr oder weniger vielen) Motiven entwickelnd. Lianes Vorworte fallen mir ein. Collage pur. Aber es muss auch nicht immer zitiert werden: Mein „Stillleben“ im GeWa 112 würde ich ebenfalls als Collage ansehen. Weil hier verschiedene Wirklichkeitsbereiche gegeneinander gesetzt werden. Das soll dem Leser sehr wohl bewusst werden. Fremdmaterial ist für beide Begriffe nicht Grundvoraussetzung. Eisensteins Bilder entstanden ja auch alle unter seiner Regie für den jeweiligen Film.

In diesem Sinne sind viele unserer Texte Collagen, zumindest aber Montagen. Vielleicht kramt ihr mal unter diesem Gesichtspunkt in euren Mappen oder lasst euch anregen, einen solchen Text zu schreiben. Oder vielleicht entsteht einer direkt zu entsprechenden Bildern?

Vielleicht schaffen wir sogar gemeinsam einen Werkstattbesuch? Ein Besuch in der Bunker-Bücher-Waldstadt, im Atelier „Nottekunst“ bei Hagen und Sylvi und in der umliegenden Ex- Militär-Brach-Landschaft lohnt sich allemal.


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Susann Schönherr: Ritual

Hoch oben in den Lüften, weit über den Wäldern von Lisanis Dei, zog er seine Kreise, auf der Suche nach einer Lichtung, die seinem Herren genehm sein würde. Er hörte die Worte noch hallen: „weit droben auf dem Berge, in den Wäldern von Lisanis Dei, zog er seine Kreise, auf der Suche nach einer Lichtung, die seinem Herren genehm sein würde. Er hörte die Worte noch hallen: „weit droben auf dem Berge, in den Wäldern von Lisanis Dei, musst du die Lichtung finden, welche den klarsten Blick in den Nachthimmel gewährt!“ Unterdessen traf Li Nao San letzte Vorbereitungen. Der Proviant war gepackt, die Kutte geglättet. Das Feuerholz wollte er auf dem Weg zum Treffen sammeln. In drei Nächten würde es endlich wieder so weit sein. Viele Jahre waren vergangen, dreiunddreißig an der Zahl, seit sie sich das letzte Mal sahen. Was hatte sich seit dem nicht alles ereignet… Li Nao versank in seinen Erinnerungen. Was die anderen ihm wohl berichten würden? Aber so weit war es noch nicht. Bis zur Zusammenkunft musste noch einiges erledigt werden.

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Hoch oben in den Lüften, weit über den Wäldern von Lisanis Dei, zog er seine Kreise, auf der Suche nach einer Lichtung, die seinem Herren genehm sein würde.

Er hörte die Worte noch hallen: „weit droben auf dem Berge, in den Wäldern von Lisanis Dei, musst du die Lichtung finden, welche den klarsten Blick in den Nachthimmel gewährt!“

Unterdessen traf Li Nao San letzte Vorbereitungen. Der Proviant war gepackt, die Kutte geglättet. Das Feuerholz wollte er auf dem Weg zum Treffen sammeln.

In drei Nächten  würde es endlich wieder so weit sein. Viele Jahre waren vergangen, dreiunddreißig an der Zahl, seit sie sich das letzte Mal sahen.

Was hatte sich seit dem nicht alles ereignet… Li Nao versank in seinen Erinnerungen.

Was die anderen ihm wohl berichten würden? Aber so weit war es noch nicht.

Bis zur Zusammenkunft musste noch einiges erledigt werden.

Hoffentlich würde sein Rabe ihm bis zum Morgengrauen die Kunde über den vollkommenen Ort für das heimliche Treffen bringen… Nun aber begab Li Nao sich in den Wald.

Dreizehn Samen der immergrünen Abies, sieben Marientränen und eine Wurzel der Mandragora musste er sammeln.

Es verging die dunkle, kalte Nacht. Bei seiner Wiederkehr verlieh das sanfte Morgengrauen der Gegend um Lisanis Dei einen roten Schleier. Da vernahm Li Nao das raue Krähen seines Raben.  „Li Nao San, Li Nao San, mein Herr, ich komme mit der Kunde über die rechte Lichtung hoch droben auf dem Berge in den Wäldern von Lisanis Dei“.

„Vortrefflich, mein guter Begleiter! Mit dem nächsten Mondenschein werden wir uns auf den Weg machen.“ sprach Li Nao, bevor er sich zur Ruhe legte.

Bald darauf fiel er in einen tiefen Schlaf und begann unruhig zu träumen…

Ringsum graue Nebelschwaden, nichts zu erkennen… Doch, dort hinten – ein blauer Schimmer. Wo bin ich nur? Und was ist das für ein Licht?  Ich vernehme ein Stimmengewirr in der Ferne. Plötzlich fängt sich alles an, um mich herum zu drehen, grauer Nebel, blaues Licht, die Stimmen kommen immer näher… Aaaaaaah!

…schweißgebadet erwachte Li Nao San aus seinem Traum. Die Nacht brach langsam herein.

„Nun flieg hoch und halt Ausschau nach den Raben von Nyima Shin und Zoaki Masa, um ihnen den Weg zur Lichtung zu weisen.“ sprach er zu seinem Begleiter und machte sich auf den Weg.

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smt: Die letzte Nacht

Und wieder kann ich nicht schlafen. Seit Tagen geht das schon so. Der Tinnitus pfeift in meinen Ohren, und die zu kleine Decke sorgt für kalte Füße. Als ich mich auf die andere Seite drehe, quietschst du leise. Vorsichtig kuschele ich mich an Dich und denke zurück. Wie lange ist es jetzt her - zwölf Jahre? Ein Wunder, dass du mich so lange ertragen hast. Sacht streichen meine Finger über deine kleinen Falten. Ja, wir werden alle nicht jünger. Ich habe an Umfang und Gewicht zugelegt und du eben … - nun, es ist, wie es ist.

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Und wieder kann ich nicht schlafen. Seit Tagen geht das schon so. Der Tinnitus pfeift in meinen Ohren, und die zu kleine Decke sorgt für kalte Füße. Als ich mich auf die andere Seite drehe, quietschst du leise. Vorsichtig kuschele ich mich an Dich und denke zurück. Wie lange ist es jetzt her – zwölf Jahre? Ein Wunder, dass du mich so lange ertragen hast. Sacht streichen meine Finger über deine kleinen Falten. Ja, wir werden alle nicht jünger. Ich habe an Umfang und Gewicht zugelegt und du eben … – nun, es ist, wie es ist.

Damals war es Liebe auf den ersten Blick. Ich plünderte für dich mein Konto und schon zwei Wochen später kamst du in meine erste eigene Wohnung, in die ich erst kurz zuvor eingezogen war. Es waren glückliche Jahre, aber mit der Zeit wurde es anstrengend. Anfangs botest du mir Halt und wachtest über meinen oft unruhigen Schlaf. Still nahmst du es hin, wenn ich mich erst spät in der Nacht hinlegte und nicht vor dem Mittag wieder aufstand. Doch unbewusst hast du mich immer deine Härte und  Unnachgiebigkeit spüren lassen – und so nahm ich schließlich doch immer wieder den Kampf mit dem Alltag auf. Doch dann ließ diese belebende Spannung nach. Du wurdest immer nachgiebiger und ich hatte das Gefühl, in deiner Weichheit zu versinken, nicht mehr hochzukommen, ja fast zu ersticken. Irgendwann wurde mir klar, dass es so nicht weiter gehen kann. Es gab keine gemeinsame Zukunft für uns.

Weil ich wusste, dass du das anders sehen würdest, ließ ich mir Zeit bei der Suche nach etwas neuem – aber irgendwann war es so weit. Es passierte in einem großen Einkaufspark. Wie damals bei dir, verliebte ich mich sofort. Dennoch zögerte ich vor dem entscheidenden Schritt. Mir war klar, es ist die richtige Entscheidung, aber nicht jedem fällt es leicht, Gewohntes aufzugeben. Vielleicht liege ich deshalb gerade noch immer wach da, während du in dir ruhst. Ich wollte keinen langen Abschied und habe mich deshalb für die schnelle, schmerzhafte Variante entschieden. Du weißt noch nicht, dass
dies unsere letzte gemeinsame Nacht sein wird. Ich habe keine großen Vorbereitungen getroffen, es erschien mir sowieso unvermeidlich, dass ihr euch kurz begegnen werdet.

Mir ist klar, wie unwahrscheinlich es ist, dass dich nach mir noch jemand nimmt. Sie haben mir zugesagt, dich abzuholen, aber wo sie dich hinbringen werden – ich weiß es nicht. Und auch wenn du keine Zukunft hast – für mich wird es eine Erleichterung, ein Neuanfang sein. Mit diesem Gedanken schlafe ich doch noch kurz ein. Als ich am Morgen aufstehe und meinen schmerzenden Rücken spüre, bin ich mir endgültig sicher: Sie war richtig – die Entscheidung für ein neues Bett.

Der Text wurde veröffentlicht in der Jubiläumsanthologie: “unDichterNebel” 2001 – 2015
(ISBN  978-3-941394-40-7 / Osiris Druck Lpz.)

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Liane Fehler: Aus dem Vorwort zum Gedankenwasser Nr. 111

Aus dem Vorwort zum Gedankenwasser Nr. 111 „…und jedem Anfang wohnt ein Zauber inne, der uns beschützt und der uns hilft zu leben…“ (Meine Lieblingsstelle aus dem Gedicht „Stufen“ von Hermann Hesse). Seid Willkommen, Lesende und Schreibende! Warum ein Hesse-Zitat? Auch das Lesen eines Gedichtes kann ein Anfang, ein Einstieg in eine andere, vielleicht schönere Welt sein. Eine Welt, die wir uns vorstellen und beschreiben, vielleicht wünschen? Die Literatur, besonders Lyrik, hilft mir zu leben; zu überleben. „Stufen“ hat mich besonders berührt und in unseren „alten“ GeWas entdeckte ich „Schätze“ wieder. So in Gedichten von Gerhard z.B.: „Doch manchmal kommen noch Worte unter den schweigenden Mond…“ auch in seinem Gedicht „Vor der Bäckerei“, wo er fragt:“ was ist mir denn, daß ich in rote Fernen steige in die der Tag sich hebt“ beide GeWa 70, ich habe die liebevolle Ausstattung mit Herbarium durch Andreas Schrock im GeWa 99 und auch sein nachdenkliches Vorwort nochmal auf mich wirken lassen. Es gab so viele verschiedene lyrische Haken, die verfangen haben unter anderem auch die Texte von Christina „in fest verschlossnen Truhen Bei meinen Kinderschuhen liegt eine Zärtlichkeit.“ aus dem Gedicht „Aufbewahrt“ im Heimatheft, auch die von Ingeburg Schirrmacher GeWa 78 mit einem meiner Lieblings Gedichte von ihr „Küchengedanken“ „als ich die rote Frucht schälte…“. Annett Goldberg in ihrem Gedicht „schwere“ „am Nachtnovemberhimmel hängt der bleiche ausgefranste mond. es fühlt sich kalt und leerbedrängt ein Licht fehlt, dass was anzufangen lohnt.“ GeWa 68 Olaf Zernick der es so sagt.“ …Holunderperlen nur halten den Sommer wach…“ GeWa 75 und von SMT inspirierte mich unter anderem: „Ich trag den November im Herzen…“ aus seinem Gedicht „Im Abgrund“ und „Vierecke - magisch - bestimmen mein Sein“ aus „Seh(n)sucht“ GeWa 105 (mache jetzt selbst erst mal „Medien-Fasten“). Berührend, nachdenklich, lebensklug - fasziniert ließ ich mich in eure Lyrik fallen. Ihr seid einfach großartig! (Aber das wisst ihr schon, oder?) In blauen Stunden, während meine Seele wandert, nach Antworten sucht, trägt mich Lyrik, über die holprigen Stellen, auf dem Weg zu mir. Sie ist Ventil „wenn ed einfach mal raus muss“ wie es jemand aus unserer Runde sagen würde (und Recht hat er! ;)) dann „dampft der neue Mut unterm Lindenblütenhut“ damit der Gedankenkessel nicht explodiert. Hier gibt es wieder endlich neue Lyrik und Prosa! Bei allen, die mitgeholfen haben, das vorliegende GeWa zu erstellen, bedanke ich mich herzlich. Besonders bei SMT und Andreas Schrock aus Dresden, die sofort mit Rat und Tat zur Stelle waren und bei Magdalene Schönhoff und sibyll maschler für das „Feed-Back“ zu Texten aus den letzten Heften. Eure Reaktionen, machen Mut, es mit dem Schreiben weiter zu versuchen. Danke! Ich nehme an, jeder hofft auf eine Reaktion. Die schlimmste Strafe ist demzufolge: ignoriert zu werden. Bemerkt zu werden, ist der Logik folgend, schon eine Zuwendung, die dankbar entgegen genommen wird.;) Es gibt ein Sprichwort: „Kritik ist Liebe“ … Also, lest selbst, spart nicht mit Lob und Kritik für unsere Autoren. Ich danke euch für euer Wohlwollen, seid herzlich gegrüßt, wo immer ihr seid. Vielleicht findet ihr ja in diesem Heft auch einen Zauber, der euch beschützt und der euch hilft zu leben… Liane

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Aus dem Vorwort zum Gedankenwasser Nr. 111

„…und jedem Anfang wohnt ein Zauber inne, der uns beschützt und der uns hilft zu leben…“
(Meine Lieblingsstelle aus dem Gedicht „Stufen“ von Hermann Hesse).
Seid Willkommen, Lesende und Schreibende!
Warum ein Hesse-Zitat? Auch das Lesen eines Gedichtes kann ein Anfang, ein Einstieg in eine andere, vielleicht schönere Welt sein. Eine Welt, die wir uns vorstellen und beschreiben, vielleicht wünschen?
Die Literatur, besonders Lyrik, hilft mir zu leben; zu überleben. „Stufen“ hat mich besonders berührt und in unseren „alten“ GeWas entdeckte ich „Schätze“ wieder.

So in Gedichten von Gerhard z.B.: „Doch manchmal kommen noch Worte unter den schweigenden Mond…“ auch in seinem Gedicht „Vor der Bäckerei“, wo er fragt:“ was ist mir denn, daß ich in rote Fernen steige in die der Tag sich hebt“ beide GeWa 70, ich habe die liebevolle Ausstattung mit Herbarium durch Andreas Schrock im GeWa 99 und auch sein nachdenkliches Vorwort nochmal auf mich wirken lassen. Es gab so viele verschiedene lyrische Haken, die verfangen haben unter anderem auch die Texte von Christina „in fest verschlossnen Truhen Bei meinen Kinderschuhen liegt eine Zärtlichkeit.“ aus dem Gedicht „Aufbewahrt“ im Heimatheft, auch die von Ingeburg Schirrmacher GeWa 78 mit einem meiner Lieblings Gedichte von ihr „Küchengedanken“ „als ich die rote Frucht schälte…“. Annett Goldberg in ihrem Gedicht „schwere“ „am Nachtnovemberhimmel hängt der bleiche ausgefranste mond. es fühlt sich kalt und leerbedrängt ein Licht fehlt, dass was anzufangen lohnt.“ GeWa 68 Olaf Zernick der es so sagt.“ …Holunderperlen nur halten den Sommer wach…“ GeWa 75  und von SMT inspirierte mich unter anderem: „Ich trag den November im Herzen…“ aus seinem Gedicht „Im Abgrund“ und „Vierecke – magisch – bestimmen mein Sein“ aus „Seh(n)sucht“ GeWa 105 (mache jetzt selbst erst mal „Medien-Fasten“).

Berührend, nachdenklich, lebensklug – fasziniert ließ ich mich in eure Lyrik fallen. Ihr seid einfach großartig! (Aber das wisst ihr schon, oder?)

In blauen Stunden, während meine Seele wandert, nach Antworten sucht, trägt mich Lyrik, über die holprigen Stellen, auf dem Weg zu mir. Sie ist Ventil „wenn ed einfach mal raus muss“ wie es jemand aus unserer Runde sagen würde (und Recht hat er! ;)) dann „dampft der neue Mut unterm Lindenblütenhut“ damit der Gedankenkessel nicht explodiert.

Hier gibt es wieder endlich neue Lyrik und Prosa!
Bei allen, die mitgeholfen haben, das vorliegende GeWa zu erstellen, bedanke ich mich herzlich. Besonders bei SMT und Andreas Schrock aus Dresden, die sofort mit Rat und Tat zur Stelle waren und bei Magdalene Schönhoff und sibyll maschler für das „Feed-Back“ zu Texten aus den letzten Heften. Eure Reaktionen, machen Mut, es mit dem Schreiben weiter zu versuchen. Danke!
Ich nehme an, jeder hofft auf eine Reaktion. Die schlimmste Strafe ist demzufolge: ignoriert zu werden. Bemerkt zu werden, ist der Logik folgend, schon eine Zuwendung, die dankbar entgegen genommen wird.;) Es gibt ein Sprichwort: „Kritik ist Liebe“ … Also, lest selbst, spart nicht mit Lob und Kritik für unsere Autoren. Ich danke euch für euer Wohlwollen, seid herzlich gegrüßt, wo immer ihr seid.

Vielleicht findet ihr ja in diesem Heft auch einen Zauber, der euch beschützt und der euch hilft zu leben…

Liane

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Desdemona: Ich begreife nichts

Noch benommen von einem eigenartigen Traum greife ich nach der Wolldecke und gehe ans Fenster. Vor meinen Augen breitet sich tiefschwarze Nacht aus, übersät von flimmernden, flackernden Sternen. Aus unermesslich weiten Räumen scheinen sie mich zu begrüßen. Ich bin fasziniert, ziehe auch noch meinen Arbeitsstuhl ans Fenster, um dieses nächtliche Schauspiel ganz in mich aufzunehmen. Dann öffne ich das Fenster. Fühlte ich mich davor wohl und behaglich, beschützt in meinen vier Wänden, passiert mit einem Male etwas sehr Eigenartiges. Ich vergesse hinter mir die vertraute, fest gefügte Welt meines Zimmers und bin urplötzlich dem Sternenhimmel über mir ausgeliefert. Er erzeugt in mir ein Unwohlsein, einen dumpfen Druck in der Magengrube. Ich fühle mich überrumpelt von dieser eiskalten, fremden, schweigenden Unendlichkeit. Scheinbar geht von ihr eine unsichtbare, mir bisher unbekannte Bedrohung aus. Jetzt fröstelt mich auch noch und ich ziehe meine dicke, warme Bettdecke ans Fenster. Irgendwie scheinen mich die Sterne zu verwirren. Banal, ja ausgesprochen beschränkt, empfinde ich gewöhnlich meinen All-Tag, der doch im Grunde - so wird es mir jetzt mit einem Male klar - ein Tag im All, im Universum ist. Die alltäglichen Dinge halten mich Tag für Tag gefangen, doch als eigentliches Gefängnis empfinde ich jetzt, in diesem Moment, die sich über mich wölbende Himmelsschale mit den vielen, unendlich vielen Lichtern. Sie wärmen mich nicht. Sie beschützen mich nicht. Ich bin ihnen gleichgültig. Sie sind da- ob ich nun da bin oder nicht. Aber warum sitze ich jetzt hier wie versteinert vor diesem unheimlichen Bild? Was soll denn das? Dieses Ängstigen vor einer Lichtjahren fernen, kalten Welt? Schnell schließe ich das Fenster wieder. Mögen doch die mich beunruhigenden Gedanken draußen bleiben... in dieser von Sternen übersäten dunklen Nacht.

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Noch benommen von einem eigenartigen Traum
greife ich nach der Wolldecke und gehe ans Fenster.
Vor meinen Augen breitet sich tiefschwarze Nacht aus,
übersät von flimmernden, flackernden Sternen.
Aus unermesslich weiten Räumen scheinen sie mich zu begrüßen.
Ich bin fasziniert, ziehe auch noch meinen Arbeitsstuhl ans Fenster, um dieses nächtliche Schauspiel ganz in mich aufzunehmen.
Dann öffne ich das Fenster.
Fühlte ich mich davor wohl und behaglich, beschützt in meinen
vier Wänden, passiert mit einem Male etwas sehr Eigenartiges.
Ich vergesse hinter mir die vertraute, fest gefügte Welt meines Zimmers und bin urplötzlich dem Sternenhimmel über mir ausgeliefert. Er erzeugt in mir ein Unwohlsein, einen dumpfen
Druck in der Magengrube.
Ich fühle mich überrumpelt von dieser eiskalten, fremden, schweigenden Unendlichkeit. Scheinbar geht von ihr eine unsichtbare, mir bisher unbekannte Bedrohung aus.
Jetzt fröstelt mich auch noch und ich ziehe meine dicke, warme Bettdecke ans Fenster.
Irgendwie scheinen mich die Sterne zu verwirren.
Banal, ja ausgesprochen beschränkt, empfinde ich gewöhnlich meinen All-Tag, der doch im Grunde – so wird es mir jetzt mit einem Male klar – ein Tag im All, im Universum ist.
Die alltäglichen Dinge halten mich Tag für Tag gefangen,
doch als eigentliches Gefängnis empfinde ich jetzt,
in diesem Moment, die sich über mich wölbende Himmelsschale
mit den vielen, unendlich vielen Lichtern.
Sie wärmen mich nicht.
Sie beschützen mich nicht.
Ich bin ihnen gleichgültig.
Sie sind da- ob ich nun da bin oder nicht.
Aber warum sitze ich jetzt hier wie versteinert vor diesem unheimlichen Bild? Was soll denn das?
Dieses Ängstigen vor einer Lichtjahren fernen, kalten Welt?
Schnell schließe ich das Fenster wieder.
Mögen doch die mich beunruhigenden Gedanken draußen bleiben…
in dieser von Sternen übersäten dunklen Nacht.

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