Tag Archives: Maritim.

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Lars Steger: Im Aufprall der Stille. Erster Spaziergang

weit hinter den dünen und dem deichring meines wunschortes in der wacholderheide hört das meer sich sehr leis noch weit an. nah

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weit hinter den dünen
und dem deichring      
meines wunschortes

in der wacholderheide
hört das  meer sich sehr leis
noch weit an. nah

säuselt der wind durchs schilf
unsichtbar das plätschern
und schlagen von gefieder

den neugebauten weg
entdecken folgen verlassen
ein pfad zum bodden hin

morsch liegt der pfahl
eines seezeichens am ufer

vom gegenüberliegenden
winkt eine kirche

ein federbalg zerweht
dem dorf zu

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Gerhard Jaeger – Bild: Über Wasser

Hiddensee 2012 Insel im Regen, weißt du, den Regen trinken die Wiesen. hier trinken die Wiesen

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                Hiddensee 2012

Das Gedicht wurde veröffentlicht in der Anthologie unDichternebel: 2001 – 2015.

gen
trinken die Wiesen.
hier trinken die Wiesen
mehr als andern Orts.
Was?

Wasser rund um
Wasser im Schwamm
Wasser im Bodden
Wasser – Wasserwiesen
Die Insel, wird untergehen.
Was?


Untergehen kann sie nicht
Wasser, ja schon, aber
sie wird gehalten, getragen-
getragen – von wem? –
Was?

Vom Sanddorn, Holunder
einwenig Sonne und
Wildrosen auch, sie
halten die Insel, aber
die Düfte, die allein
tragen sie.

 

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Gerhard Jaeger – Bild: Esel auf dem Floß

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Dieses Bild von Gerhard Jaeger war, neben weiteren Exponaten
der Kunstausstellung des Malaika Projektes “Art‬ unite us – Kunst vereint uns”,
im Rahmen einer Multimedia Show im Dezember 2014
im Mehrgenerationenhaus Königs Wusterhausen zu sehen.

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Andreas Schrock: hafengelände, mitternacht

zwei mädchen warteten auf den steuermann der aber wußte nicht, daß er steuern kann ein andrer kam und bot sich an sie schickten ihn fort, den falschen mann die mädchen warteten, froren und summten das lied vom steuermann dem lumpen der steuermann betrank sich der andre mann erhang sich die mädchen gingen langsam heim: der morgige tag würde schöner sein

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zwei mädchen warteten auf den steuermann
der aber wußte nicht, daß er steuern kann

ein andrer kam und bot sich an
sie schickten ihn fort, den falschen mann

die mädchen warteten, froren und summten
das lied vom steuermann dem lumpen

der steuermann betrank sich
der andre mann erhang sich

die mädchen gingen langsam heim:
der morgige tag würde schöner sein

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(Veröffentlicht in : “Zwischen den Zeiten 1990-2000″ (Anth.); hrsg. von Eitel Kunst e.V., Peter-Segler-Verlag, 2003, 2. Aufl., ISBN 978-3-931445-07-2)

 

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sibyll maschler: Über die Gezeiten hinaus

Krebs und Muschel begegneten sich das erste Mal in einem flachen Priel, nachdem sie das ablandige Wasser dort zurückgelassen hatte. Sie teilten die Zeitspanne einer Ebbe miteinander, genauer gesagt ...

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sibyll-maschler-DSCI4177

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Krebs und Muschel begegneten sich das erste Mal in einem flachen Priel, nachdem sie das ablandige Wasser dort zurückgelassen hatte. Sie teilten die Zeitspanne einer Ebbe miteinander, genauer gesagt 12 Stunden und 24 Minuten. Beide waren noch jung. Die Muschel blieb überwiegend geschlossen und sorgte sich wegen des niedrigen Wasserstandes in der Senke. Außerdem konnte sie sich nicht ausreichend in den Sand eindrücken, weil unter ihr ein flacher Stein lag. Um sich abzulenken, lauschte sie den Grabungen der Wattwürmer und hörte die fernen Wellen des Meeres ebenso wie die Gedanken des Krebses. Dieser verharrte ziemlich dicht neben ihr. Er glaubte schon einiges über Muscheln zu wissen und war angetan von der Schönheit seiner Nachbarin. Die Form war von seltener Schlichtheit. Im warmen Sonnenlicht schimmerte das Perlmutt auf ganz wunderbare Weise. Je länger der Krebs das Farbenspiel beobachtete, desto mehr wünschte er auch einen Blick in das Innere der Muschel zu bekommen. Und wie würden die Schalenhälften wohl von der unteren Seite aussehen? Aber die Muschel öffnete sich nur selten kurzzeitig für wenige Millimeter. Sie schien abgelenkt und drehte sich kaum in seine Richtung. Je geringer der Muschelspalt, umso mehr verlangte der Krebs die Geschmeidigkeit der Muschel und die Anmut ihrer Bewegungen zu sehen. Leider trug der Wind ihre Stimme auch noch in eine andere Richtung, so dass er diese nur ahnen konnte. Er wollte sie so gern hören. Der Krebs vergaß darüber das Kreischen der Möwen und die sonst üblichen Schätzungen, ob die Wassermenge des Priels noch genügend Schutz bis zur nächsten Flut gewähren würde. Aber er hatte auch gar nicht vor, seine Position zu ändern. Er vernahm nicht einmal, dass das Wasser in der Ferne bereits wieder anstieg. Stattdessen suchte er nach Gemeinsamkeiten. Sie hatten beide eine harte Schale, sie konnten nicht wirklich schwimmen, sie trugen ihre Hoffnungen verborgen. Und sicher würde sich die Muschel, genauso wie er, an den Lichtbrechungen im Wasser freuen, bei Sturm mit dem Seetang spielen und in der Tiefe nach unvergleichlichen Mustern am Grunde suchen. Lediglich eine Reise am Rumpf eines Schiffes würde dem Krebs verwehrt bleiben. Da war auch schon die nächste Flut heran. Krebs und Muschel gerieten in unterschiedliche Strömungen. Lange wechselten Ebbe und Flut in gewohntem Gleichmaß immer und immer wieder. Der Krebs wuchs und überstand alle schutzlosen Zeiten, in denen der vorher abgestreifte Panzer stets viel zu langsam nachhärtete. Die Nachkommen befanden sich schon auf eigenem Terrain. Die Muschel musste derweil einige Blessuren auf ihrer Oberseite erdulden. Sie hatte in einer kleinen Kolonnie gelebt und Schutz in einer sanft umspülten Felsspalte gefunden. Aber auch dort gab es Unwetter und Angriffe scharfkantiger Vogelschnäbel, die dazu führten, dass sich die Muschel wieder öfter lange verschlossen hielt, so wie sie es häufig in ihrer Jugend getan hatte. Es nahte die Zeit, in der es nicht mehr genug Platz für alle am Felsen gab. Hätte jemand gefragt, ob die Muschel fortgespült worden sei oder sich selbst gelöst hatte, so wäre die Antwort nicht eindeutig ausgefallen.

In einer klaren Neumondnacht trafen sich Krebs und Muschel am Meeresgrund wieder. Erschrocken versuchte sich die Muschel in den Sand zu graben. Der Krebs lief versehentlich ein bisschen schräger als sonst. Aber er blieb. Beide erinnerten sich, dass sie einst gemeinsam in einem flachen Priel die nächste Hochtide erwartet hatten und der Krebs beharrlich an der Seite der Muschel geblieben war. Nun, dort in der Tiefe, war das Wasser klar und gleichmäßig ruhig. Tage und Nächte vergingen, der Mond nahm allmählich zu, als sie feststellten, dass ihre Stimmen einander glichen. Sie hörten sich über die Entfernung eines ganzen Korallenriffs, aber auch dann, wenn ihre Stimmen in verschiedene Richtungen strömten. Krebs und Muschel glitten auf den Obertönen der Wale. Mit ihnen begann die Zeit, die niemals festgeschrieben wurde und nicht messbar ist an den Gezeiten der hohen See.

sibyll maschler (Text und Foto) – Juni 2008

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Lars Steger: Wiederkehr 1

Auf dem Rückweg war er unentschlossen, er hatte noch nichts gegessen, es war Zeit für ein paar Anrufe, wenn er seiner ehemaligen Familie und seinen Eltern nicht wirklich

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Auf dem Rückweg war er unentschlossen,
er hatte noch nichts gegessen,
es war Zeit für ein paar Anrufe,
wenn er seiner ehemaligen Familie
und seinen Eltern nicht wirklich
den heiligen Abend stören wollte.
Sieben Kneipen hatte er gezählt
die alle zu hatten für die nächsten
drei Tage oder die ganze Jahreszeit.

Vor der Kirche blieb er stehen.
Da gehörte er irgendwie nicht hin.
Wäre bemerkt worden.
Dort wollte er nicht bemerkt werden.
In der Heide oder auf den leeren Wegen
des Dorfes störte ihn sein Bild
vom einsamen Wanderer nicht.
Er fand einen Tannenzweig
zwischen den Häusern, hier, wo
Tannen nur in den Wohnzimmern wuchsen,
den trug er in sein Zimmerchen unterm Dach
wo die kleinen modernen Katastrophen
auf ihn warteten, er hatte das Ladekabel
des Handys vergessen und den Adapter
für den MP3-Player, so blieben ihm
zwei Weihnachts- und fünf andere CDs
und die Stille. Aber er war ruhig
er hatte heute das Meer gehört
in seine Gischt gesehen.

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sibyll maschler: Mädchenbilder

Mädchen strömen wie Düfte Fliederdoldengleich Mädchen wehen wie zarte Brisen und tragen ans Ufer Mädchen salzen die Haut wie das Meer sind Stürme und ruhige See

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Mädchen strömen
wie Düfte
Fliederdoldengleich
Mädchen wehen
wie zarte Brisen
und tragen ans Ufer
Mädchen salzen die Haut
wie das Meer
sind Stürme und ruhige See
Mädchen steigen auf
wie Nebel zu den Wipfeln
oder sinken zu Boden
Mädchen breiten sich aus
in allen Farben
über den Hügeln
Mädchen nehmen auf und ein
manch schwerer Stunde
mit ins Tal
Mädchen fließen
zum Grunde
und sind Brücke darüber

Februar 2012

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Desdemona: Der endlose Schrei

Stundenlange Umarmung - Glück- dann ein Schrei- in Sekundenschnelle ist alles vorbei. Feuer hier, Feuer da, und immer noch mehr. Tief in der Bucht das zischende Meer. Schreiend treibt es die Menschen über das Land. Doch der Vesuv hat sie alle verbrannt.

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Andreas Schrock – Foto: Steinfigur

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Stundenlange Umarmung – Glück- dann ein Schrei-
in Sekundenschnelle ist alles vorbei.
Feuer hier, Feuer da, und immer noch mehr.
Tief in der Bucht das zischende Meer.
Schreiend treibt es die Menschen über das Land.
Doch der Vesuv hat sie alle verbrannt.
Unbezähmbar wälzt sich die unendliche Glut.
Tödlich die speihende Lavaflut.
Urplötzlich sind Menschen erstarrt zu Stein.
Verstörender kann ein Anblick nicht sein.

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Christian Rempel: Wider der Poesie Stand; Foto eines Leuchtturmes von Andreas Schrock

Bister sei des Meer Couleur, des grauen Morgens Brühe. So sieht es kaum der grand flaneur bezechte Heimkehr in der Frühe. Ein Leuchtturm in der Stille blakt übernächtig, wohl zu spät. Sein Licht am Nebel lustlos nagt, durch den der Mann nach Hause geht. Im Hafen dräun wie festgefroren steilwandig Riesen, sintemal den Klang der Liebe in den Ohren scheint`s Exterieur besonders schal. Doch all die Trübsal unsern Mann, des Innres schachtelt fein in Borke, ficht derart Bildnis gar nicht an, schmeckt nach dem Kuss und fühlt sich knorke.

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Foto eines Leuchtturmes Kurische Nehrung (heute Litauen) von Andreas Schrock

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Bister sei des Meer Couleur,
des grauen Morgens Brühe.
So sieht es kaum der grand flaneur
bezechte Heimkehr in der Frühe.

Ein Leuchtturm in der Stille blakt
übernächtig, wohl zu spät.
Sein Licht am Nebel lustlos nagt,
durch den der Mann nach Hause geht.

Im Hafen dräun wie festgefroren
steilwandig Riesen, sintemal
den Klang der Liebe in den Ohren
scheint`s Exterieur besonders schal.

Doch all die Trübsal unsern Mann,
des Innres schachtelt fein in Borke,
ficht derart Bildnis gar nicht an,
schmeckt nach dem Kuss und fühlt sich knorke.

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